„Volkstanzgruppe der PKK“ verboten

■ Innensenator läßt Verein „Hevalti“ durchsuchen / SPD schweigt zu Borttschellers Alleingang

Schwerbewaffnet und maskiert haben Polizisten gestern morgen um sechs Uhr das Vereinslokal und die Privatwohnungen der drei Vorstandsmitglieder des „kurdisch-deutschen Vereins für Völkerfreundschaft – Hevalti“ durchsucht. Vorangegangen war eine Verbotsverfügung von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) gegen den Verein, der vor zwei Jahren unter Mithilfe von Bürgerschaftsabgeordneten gegründet worden war. Nach dem im November 1993 vom Bundesinnenminister verordneten Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK sollte „Hevalti“ den rund 1.000 Bremer KurdInnen aus dem Umfeld des damals mitverbotenen „mesopotamischen Kulturvereins“ eine neue Heimat bieten.

„Hevalti“ sei eine „Volkstanzgruppe zur Förderung der PKK“, meinte Innensenator Borttscheller. Dies sei schon durch die gestern beschlagnahmten Gegenstände deutlich geworden: mehrere Bilder des PKK-Chefs Abdullah Öçalan, Sammelbüchsen für die ebenfalls verbotene ERNK und „schriftliches Propagandamaterial“. Vorangegangen seien „umfangreiche Ermittlungen mit mehr als einem Jahr Vorlauf“, so Borttscheller. Dabei habe sich ergeben, daß Vereinsmitglieder „teilweise in Trachtenkostümen“ an nicht angemeldeten Demonstrationen teilgenommen hätten, auf denen „PKK-Symbole“ gezeigt worden seien.

Außerdem gebe es eine „enge personelle Verflechtung“ zwischen „Führungskadern der PKK und dem Verein Hevalti“, so Borttscheller. Beweis dafür sei die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen den Anfang des Jahres verhafteten ehemaligen Vereinsmitarbeiter Sait Bilgin. Er soll an einem Mordversuch gegen einen abtrünnigen PKK-Funktionär beteiligt gewesen sein.

„Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen den Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft gegen Bilgin zurückgenommen“, erklärte jedoch gestern dessen Bremer Anwalt Albert Timmer. Auch daß die Tat in „Hevalti“-Räumen vorbereitet worden sei, behaupte die Bundesanwaltschaft nicht.

Der „Hevalti“-Vorstand hat Widerspruch gegen das Vereinsverbot eingelegt und beim Verwaltungsgericht einen Antrag gegen dessen sofortige Wirkung gestellt. Damit verbunden war gestern nämlich nicht nur die komplette Räumung und Versiegelung des Vereinslokals, sondern auch die Beschlagnahme der Vereinskonten. Eine „unerhörte Provokation“ sieht darin die Vereinsvorsitzende Antje Steinberg. Hier werde ein „Feindbild aufgebaut, um von der Kurdenverfolgung in der Türkei abzulenken“.

Aufgeschreckt ist der Anwalt des Vereins, Hans-Eberhard Schultz, davon, daß die Polizei „viele Leitz-Ordner mit persönlichen Daten von KurdInnen mitgenommen hat, die vom Verein betreut wurden“. Die Namen und Adressen „gehen heute an die Türkei“, ist sich Schultz sicher, „alle diese Leute sind damit zum Abschuß als Terroristen freigegeben.“

Der Senat war gestern erst im Nachhinein von Borttschellers Aktion informiert worden. Weder die vier SPD-Senatoren noch der SPD-Fraktionsvorstand wollten eine Stellungnahme dazu abgeben. Lediglich die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill (SPD) und die Grünen reagierten empört auf das Vereinsverbot. Dies sei eine „vorbeugende Sippenstrafe“, so Lill, und führe lediglich zu einer „falschen Solidarisierung mit Extremisten“, so der innenpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Martin Thomas. Ase