EU mästet die Fleischhändler

In den EU-Mitgliedsländern werden Milliardensubventionen verschwendet / Bangemann kassiert für Rede 40.000 Mark / Obstvernichtung belastet Haushalt und Umwelt  ■ Aus Straßburg Alois Berger

1994 gingen der Europäischen Union etwa 5 Milliarden Mark durch Schlampereien und ungenügende Kontrolle verloren. Das sind etwa 4 Prozent des gesamten EU- Haushalts. Der Europäische Rechnungshof, der gestern vor dem Europäischen Parlament in Straßburg seinen Jahresbericht vorlegte, kritisiert, daß vor allem die Regierungen in den Mitgliedsländern besonders leichtfertig mit dem Geld der EU umgehen. Der Kommission werfen die Luxemburger Rechnungsprüfer vor, zu wenige und zu schlecht organisierte Kontrollen durchzuführen.

Wie schon in den vergangenen Jahren verschwanden die größten Brocken im Agrarbereich. Das komplizierte System von Subventionen lädt geradezu dazu ein, mit kleinen Ungenauigkeiten große Summen zu verdienen. Vor allem beim Export von landwirtschaftlichen Produkten, für die von der EU je nach Weltmarktpreis Zuschüsse gezahlt werden, stößt die EU-Kommission bei ihren Stichproben auf falsch deklarierte Waren. So wurden zum Beispiel Schlachtabfälle nach Polen exportiert, für die in Brüssel Exporterstattungen für Qualitätsfleisch kassiert wurden.

So nebenbei stellte der Rechnungshof auch noch fest, daß die Vernichtung von Lebensmitteln die Umwelt belastet. Um die landwirtschaftlichen Preise hoch zu halten, werden jedes Jahr Tausende von Tonnen Obst und Gemüse in Gräben gekippt, untergepflügt oder mit Öl ungenießbar gemacht. Die EU gibt dafür einige Milliarden Mark aus. „Die verfaulten Früchte haben das Oberflächen- und das Grundwasser in den betroffenen Gebieten verschmutzt“, heißt es in dem Bericht. „Ferner stellen die verfaulten Früchte selbst eine Umweltbelastung dar, da sie zahlreiche Insekten anlocken, die an den umliegenden Kulturen Schäden anrichten.“

In einem Sonderkapitel behandelt der Rechnungshof das EU- Umweltprogramm „Life“. Aufgrund erheblicher Schwächen bei der Planung und Durchführung in den einzelnen Ländern seien die Mittel 1994 nur zur Hälfte ausgeschöpft worden. Viele Gelder sind nach Ansicht der Prüfer schlecht verwaltet worden, manche Projekte gefördert worden, obwohl sie nicht den Kriterien entsprochen hätten. Im Zusammenhang mit den europäischen Strukturfonds rügt der Bericht auch die Behörden in den neuen Bundesländern, wo bei Stichproben 67 Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.

Der Rechungshof läßt keinen Zweifel daran, daß die Hauptverantwortung für die Mißstände bei den Mitgliedsregierungen liegt. 80 Prozent der EU-Mittel werden von den nationalen Regierungen im Auftrag der EU verwaltet.

Unter den Beispielen besonders augenfälliger Verschwendung findet sich auch eine Stippvisite des deutschen EU-Kommissars Martin Bangemann nach Greifswald. Die EU hatte dort einen Unternehmertag mit 100.000 Mark bezuschußt, 40 Prozent davon kostete allein der Redebeitrag Bangemanns, der eigens eingeflogen und offenbar fürstlich bewirtet werden mußte. „Die Kosten dieses Ereignisses waren angesichts des Resultats unverhältnismäßig“, meint der Europäische Rechnungshof.