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Machtwort ohne Machtanspruch

■ Der SPD-Chef Scharping kritisiert sich selbst und seine Kokurrenten, doch vom Regieren spricht er nicht

Mannheim (AP/AFP/rtr) — Rudolf Scharping baut vor: Die in seinem Redemanuskript noch enthaltene Formulierung, die SPD müsse 1998 die Macht übernehmen, kam ihm gestern nicht mehr über die Lippen. Mit seiner Grundsatzrede eröffnete der umstrittene SPD-Chef gestern den Parteitag der GenossInnen. Mit „Wut und Verbitterung“, so der Ehrenvorsitzende Hans Jochen Vogel, sind die Delegierten nach Mannheim gekommen. In seiner Eröffnungrede stellte sich der Parteivorsitzende Scharping auf diese Gefühlslage ein, vollends besänftigen konnte er sie allerdings nicht. Seine innerparteilichen Kritiker waren auch danach keineswegs von seiner Führungsqualität überzeugt. Dabei sparte Scharping nicht mit Selbstkritik — und auch nicht mit mehr oder minder verholener Kritik an seinen Widersachern.

In seiner Rede, die die Delegierten stehend mit viel Applaus bedachten, räumte er ein, er habe sicher „zuviel gemacht, zuwenig bewirkt und zu sehr auf Konsens geachtet“. Er habe auch „den Willen zu vertrauensvoller Zusammenarbeit überschätzt“. Allerdings teilte Scharping auch aus. Offensichtlich auf seinen Rivalen Gerhard Schröder gemünzt, sprach er von der „großen Versuchung der Profilierung gegen die eigene Partei“. Dies bringe zwar die größten Schlagzeilen, „aber für die Partei bringt das die größten Niederlagen“. Es sei viel Porzellan zerschlagen worden: „Die Folgen tragen die Mitglieder, die sich zu Hause engagieren, mit Herz und Tatkraft.“ Er forderte seine Konkurrenten auf, sich ebenfalls auf dem Kongreß zu ihren Fehlern zu bekennen.

Auf die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Flügeln der SPD eingehend, bezeichnete Scharping die Alternative „Modernisierer gegen Traditionalisten“ als falsch. Die SPD müsse aufhören, sich in dieses „unsinnige Gegeneinander“ treiben zu lassen. Statt dessen gelte es, die zentrale Frage der Gegenwart zu beantworten: „Wie können wir die Grundlagen des sozialen Friedens erhalten unter dem Druck des globalen Wettbewerbs?“

„Besonders die emotionalen Passagen waren gut“, sagte Scharpings Frau Jutta nach der Rede. Vogel meinte, die Rede habe ihn beeindruckt. Die meisten Vorstandsmitglieder zeigten sich mit Scharping zufrieden, der auch versprach, keine Formelkompromisse während des Parteitags zuzulassen.

Diejenigen, die schon vor dem Parteitag für eine Änderung der Führungsstruktur der Partei plädiert hatten, wurden jedoch durch Scharpings Rede nicht umgestimmt. Der bayerische SPD-Politiker Albert Schmid sagte, die Ursachenforschung sei unvollständig gewesen. Die Probleme der SPD könnten nicht auf den Streit zwischen einzelnen Personen reduziert werden, sie lägen viel tiefer. Das Thema Kanzlerkandidatur kam gestern nicht zur Sprache. Offenbar hat auch Scharping erkannt, daß viele Delegierte jetzt noch keine Festlegung treffen wollen. „Darüber wird Ende 1997, Anfang 1998 entschieden“, sagte Sachsens SPD-Chef Karl-Heinz Kunkel. Tagesthema Seite 3

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