: Ein Freund der Ausländer
■ Bauminister Töpfer lädt vietnamesische Vertragsarbeiter aus Rostock in sein Ministerium und verspricht Engagement
Bonn (taz) – So einen Besuch empfängt ein Minister nicht alle Tage. 14 Vietnamesen aus jenem Wohnhaus in Rostock-Lichtenhagen, das Rechtsradikale 1992 abbrennen wollten, haben in Klaus Töpfers Konferenzzimmer Platz genommen. „Warum ist denn kein Wein hier und Gebäck?“ pflaumt der Bauminister seine verdutzten Ministerialdirigenten an, „ihr ahnt gar nicht wie gastfreundlich diese Menschen sind!“
Die Vietnamesen aus Rostock hat Töpfer ins Herz geschlossen. Im August 92 hatte er schockiert die Ausländerhatz miterlebt. Genau drei Jahre danach besuchte er die 40köpfige Gruppe um den 32jährigen Nguyen do Thin in ihrer Begegnungsstätte in Rostock und ließ andere Termine dafür platzen. Töpfer lud die Gruppe spontan nach Bonn ein – auch „um ein Signal zu setzen“.
Andere hielten Vietnamesen in Deutschland nur für Zigarettenmafiosi und denken ans Ausweisen, er nicht. Die Zugfahrt nach Bonn hat sein Ministerium bezahlt, die Hotelkosten tragen die Vietnamesen selber. Töpfer weiß, diese Leute brauchen Hilfe, und er hört zu. Alle aus der Gruppe leben seit 1982 oder 84 in der Hansestadt. Die DDR holte sie als Vertragsarbeiter. Doch noch immer erhalten sie keine Aufenthaltserlaubnis. Nur eine Aufenthaltsbefugnis gibt es, die immer neu verlängert werden muß. Aber dies geht nur, wenn Arbeit und Wohnung nachgewiesen werden können und Arbeitgeber nutzen das skrupellos aus.
In der Regel werden die Vietnamesen nur als Hilfskräfte beschäftigt, auch wenn sie eine Ausbildung haben. Die Aufenthaltserlaubnis gibt es erst, wenn ein Vietnamese acht Jahre in Deutschland lebt. Und genau da liegt der Haken, den die Gruppe anschaulich macht. Ihre Aufenthaltsdauer in der DDR wird nicht mitgerechnet, gezählt wird erst ab Juli 1993, als die entsprechende Regelung in Kraft trat. Die knapp 10.000 in Deutschland verbliebenen DDR- Vertragsarbeiter können also erst nach dem Jahr 2000 mit einem normalen Lebensalltag rechnen. Töpfer zeigt Bestürzung und verspricht Engagement. Er könnte ja mal Innenminister Kanther ansprechen und in Mecklenburg den Rudi Geil. Denn dessen Staatssekretär sei er ja mal gewesen.
Voller Hoffnung machen sich die Vietnamesen auf den Weg, doch die Ernüchterung folgt am nächsten Morgen. Im Bonner Innenministerium empfängt sie der zuständige Unterabteilungsleiter Lehngut und macht nüchtern klar, daß er ihre Probleme zwar versteht, aber ein Entgegenkommen unmöglich sei. Die DDR hätte die Vertragsarbeiter doch auch pünktlich nach Hause geschickt, wenn sie fortbestanden hätte. Deshalb fände die Zeit bis 1993 keine Berücksichtigung. Rostocks Ausländerbeauftragter Wolfgang Richter, der die Gruppe begleitet, hat dieses Abblitzen kommen sehen. Dennoch wollen die Vietnamesen auf Töpfer bauen, den einzigen Politiker von Rang, der außer Hans- Jochen Vogel je mit ihnen geredet hat. Holger Kulick
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