: Erst abtauen, dann denken
■ Eisfabrik in Hamm-Süd wird wohl abgerissen / Die Entscheidung soll heute fallen / Wirtschaftsbehörde könnte helfen, aber tut sie's? Von Heike Haarhoff
Die Ignoranz Hamburger Stadtplanung gegenüber dem Wert alter Industriearchitektur liefert Stoff für Fortsetzungsromane. Die heutige Folge behandelt das Schicksal der ehemaligen Eisfabrik an der Steinbeker Straße in Hamm-Süd: Deren Abriß soll entgegen dem Willen der AnwohnerInnen und des Bezirks Mitte heute in einem internen Abstimmungsgespräch zwischen den Fachbehörden inoffiziell besiegelt werden.
„Die Chancen sinken, daß dabei der Erhalt des Gebäudes festgeschrieben wird“, fürchtet Stattbau-Geschäftsführer Tobias Behrens. Der Senatsdrucksache, die bei dem heutigen Treffen erarbeitet werden soll, wird der Senat voraussichtlich am 28. November zustimmen. Behrens hat als Vertreter der Stadtteil-Ini Hamm-Süd verschiedene Gespräche mit der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) geführt, ohne großen Erfolg. „Die Sanierung der um die Jahrhundertwende gebauten Fabrik ist nach groben Schätzungen deutlich teurer als ein Neubau“, sagt Steb-Sprecher Bernd Meyer.
Senator Thomas Mirow habe bereits vor einem Jahr Stattbau um ein Finanzierungskonzept gebeten. Das sei aber nicht erstellt worden. „Wir konnten noch kein Finanzierungskonzept vorlegen, weil uns dazu der offizielle Auftrag fehlt“, widerspricht Behrens. Völlig unklar sei auch die tatsächliche Höhe der Sanierungskosten. Ein Gutachten, auf das die Stadtplaner des Bezirks Mitte seit Monaten drängen, ist nicht in Auftrag gegeben.
Die AnwohnerInnen-Ini Hamm-Süd wünscht sich ein dringend benötigtes sozio-kulturelles Stadtteilzentrum in den Fabrikräumen. Außerdem könnten kleinere Gewerbebetriebe, Büros und Wohnungen auf den derzeit 2.200 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche – nach Einzug von Zwischengeschossen auf 3.500 Quadratmeter erweiterbar – Platz finden. Konkretes Interesse haben verschiedene Vereine bereits angemeldet.
Statt dessen sehen die Steb-Pläne vor, auf dem Gebiet südlich der Steinbeker Straße – inclusive Fabrikgelände – 350 Sozialwohnungen zu errichten und hierzu zügig einen Wettbewerb auszuschreiben. Die jüngste GAL-Forderung an die Bürgerschaft, die Fabrik aus dem Wettbewerb herauszunehmen und so die Option auf Erhalt offenzuhalten, hält die Steb für „problematisch“. Aus gutem Grund, vermutet Behrens: „Die Stadt ist in Zugzwang geraten, weil sie die versprochenen 5.000 neuen Wohnungen jährlich nicht schafft. Deswegen wird jetzt ruckzuck abgerissen und neu gebaut, ohne zu überlegen, daß Folgeeinrichtungen wie Kitas auch Geld kosten.“
Rettung könnte ausnahmsweise von der Wirtschaftsbehörde kommen: „Wir würden das Gebäude gern erhalten und dort Gewerbe und Wohnungen ansiedeln“, sagt Sprecher Wolfgang Becker. Das Konzept seiner Behörde sehe vor, über Brachen- und Modernisierungsprogramme den Betrieben Anfangskredite zu gewähren. Ob sich aus diesen Töpfen allerdings auch die Sanierung finanzieren ließe, ist unklar.
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