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"Brutale Machtfrage" um den US-Haushalt

■ Clinton bleibt hart gegen den republikanischen Sparkurs - die jüngsten Meinungsumfragen geben dem Präsidenten recht

Washington (AP/AFP/rtr/taz) – Der Haushaltsstreit zwischen US- Präsident Bill Clinton und dem Kongreß geht in eine neue Runde: Gestern früh verabschiedete das Repräsentantenhaus mit 277 zu 151 Stimmen ein Überbrückungsgesetz zur Sicherung des Haushalts, das – wie schon bisher von der republikanischen Mehrheit vorgeschlagen – ausgeglichene Staatsfinanzen bis zum Jahre 2002 vorsieht. Obwohl aber die US-Regierung seit Dienstag wegen der Etatkrise praktisch zahlungsunfähig ist, obwohl auch gestern rund 800.000 als „nicht essentiell“ eingestufte Staatsbedienstete zu Hause bleiben mußten, kündigte Clinton sein Veto dagegen an. Der Budgetentwurf der Republikaner werde das Land umbringen, sagte Clinton schon am Mittwoch abend im Fernsehsender CBS. „Das kann ich nicht unterstützen.“ Die republikanischen Kongreßspitzen stellten die „brutale und nackte Machtfrage“.

Neben der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus gaben auch 48 demokratische Abgeordnete ihre Zustimmung. Eine Zweidrittelmehrheit, mit der Clintons Veto hätte überstimmt werden können, wurde bei dem Votum jedoch verfehlt. Trotz des angekündigten Einspruchs wurde erwartet, daß auch der Senat noch am Donnerstag dem Haushaltsgesetz zustimmt. Wegen des Streits sagte der Präsident auch seine für Sonntag geplante Reise nach Japan ab und schickte statt dessen seinen Vizepräsidenten Al Gore. Bereits zuvor war die ursprünglich auf sechs Tage angesetzte Reise auf ein Wochenende zusammengestrichen worden. Japans Ministerpräsident Tomiichi Murayama reagierte enttäuscht auf die Absage Clintons.

Trotz oder gerade wegen der Zahlungsunfähigkeit der Regierung steht Clinton in der öffentlichen Meinung gar nicht so schlecht da. 49 Prozent der US-BürgerInnen sehen nach jüngsten Umfragen des Fernsehsenders CNN und der Tageszeitung USA Today in den republikanischen Mehrheitsführern in Senat und Repräsentantenhaus, Newt Gingrich und Bob Dole, die Schuldigen an der Finanzkrise.

Ängstlich schauen die Republikaner auf die Demoskopie, frohlockend die Demokraten. Der Führer der demokratischen Minderheit im Senat, Tom Daschle, legte sofort nach und schimpfte auf Newt Gingrich: „Er will Chaos. Er will den Zusammenbruch der Regierung, und nun hat er, was er wollte.“

Clinton, der die von den Republikanern als Bedingungen gestellten drastischen Einsparungen im Sozial-, Bildungs- und Umweltbereich ablehnt, kann hoch pokern und direkt in den Wahlkampf einsteigen: Er werde solange sein Veto einlegen, wie er als Präsident die Verantwortung trage, verkündete Clinton. Und angesprochen auf Gingrichs Einschätzung, die Haushaltskrise könne drei Monate dauern, sagte der Präsident: „90 Tage, 120 Tage, 180 Tage – wenn das amerikanische Volk einen Haushalt haben will, wie sie (die Republikaner) ihn als Gesetz eingebracht haben, können sie einen anderen Präsidenten haben.“

Der Präsident hat ein bißchen Spielraum gewonnen, nachdem die Zahlungsfähigkeit für essentielle Angelegenheiten durch einen haushaltspolitischen Trick zunächst bis Ende des Jahres gesichert ist: Aus zwei Pensionskassen für Bundesangestellte borgt sich die Regierung nach Angaben von Finanzminister Robert Rubin rund 61,3 Milliarden Dollar (rund 86 Milliarden Mark).

Unterdessen konnten die Beschäftigten des US-Verkehrsministeriums wieder an ihren Schreibtischen Platz nehmen. Wie der Sprecher des Weißen Hauses, Michael McCurry, mitteilte, segnete Clinton den Haushalt dieses Ministeriums mit einem Volumen von rund 37 Milliarden Mark (52 Milliarden Mark) ab, da das Budget mit den Vorstellungen des Präsidenten „konform“ gewesen sei.

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