Pazifik bleibt ein tiefer Graben

Die Absage von US-Präsident Clinton, zum Apec-Gipfel nach Osaka zu kommen, bedeutet einen Rückschlag für die pazifische Integration  ■ Aus Osaka Georg Blume

Eines der wagemutigsten politischen Unternehmen seit Ende des Kalten Krieges – nämlich die Integration eines Wirtschaftsraums mit 40 Prozent der Weltbevölkerung und 56 Prozent des Weltbruttosozialprodukts – erlitt gestern in Osaka seinen bislang größten Rückschlag. Tatsächlich muß das dritte Treffen der Staats- und Regierungschefs des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) ohne den Begründer der pazifischen Gipfel- Idee, US-Präsident Bill Clinton, auskommen.

Clinton begründete seine Abmeldung vom Apec-Gipfel mit der Haushaltskrise in den USA. Statt dessen wird nun der amerikanische Vizepräsident Al Gore nach Osaka reisen. Offiziell wurde die Entscheidung Clintons von den übrigen Apec-Staaten mit Verständnis entgegengenommen. Doch der symbolische Charakter der überraschenden Entwicklung war kaum zu übersehen: Hinter der Haushaltskrise in den USA verbirgt sich das Problem einer Volkswirtschaft, die aufgrund einer niedrigen Sparquote und geringer Investitionen ein großes, steigendes Leistungsbilanzdefizit erwirtschaftet. Vor diesem Hintergrund wird ein Abbau der Staatsschulden täglich unrealistischer.

Verantwortlich für das Leistungsbilanzdefizit sind jedoch auch die exportstarken Apec-Staaten in Asien, von denen die Mehrzahl große Handelsüberschüsse mit den USA erreicht. Es wäre eine der drängendsten Aufgaben des diesjährigen Apec-Gipfels gewesen, dieses strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Volkswirtschaften Asiens und Nordamerikas zu problematisieren. Viele asiatische Delegierte in Osaka interpretieren den Rückzug Clintons als Vorboten eines weiteren amerikanischen Desengagements in der Region.

Ohnehin waren die Vorbereitungen zur pazifischen Gipfelkonferenz in diesem Jahr nur mühsam vorangekommen. Am Apec- Dialog, der sich offiziell auf wirtschafts- und handelspolitische Fragen beschränkt, nehmen so unterschiedliche Länder teil wie China, mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 452 Dollar pro Jahr, und Japan, mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 33.700 Dollar. Dennoch hatten sich alle 18 Mitgliedsstaaten der Apec, darunter auch Taiwan, Hongkong, Australien, Chile und die Länder Nordamerikas, im letzten Jahr auf das Ziel einer einheitlichen Freihandelszone geeinigt, die in den Industrieländern bis zum Jahr 2010, in den Entwicklungsländern bis zum Jahr 2020 errichtet werden soll. Erklärtes Ziel für die Konferenz in Osaka war es, einen Weg „von der Vision zur Aktion“ zu weisen, wie es Japans Wirtschaftsminister Ryutaro Hashimoto ausdrückte. Zu diesem Zweck werden die Außen- und Wirtschaftsminister dem Gipfel eine „Aktions-Agenda“ vorlegen, in der die Prinzipien für eine panasiatische Freihandelspolitik festgelegt werden. Bereits gestern gaben hochrangige Mitglieder der US-Delegation den Inhalt der Agenda bekannt, die am Sonntag von den Regierungschefs unterzeichnet werden soll.

„Die größten Schwierigkeiten entstanden bei der Frage, wie umfassend die für den Freihandel nötigen Liberalisierungsmaßnahmen sein würden“, sagte eine US-Delegierte. Insbesondere Japan und China hatten vor der Konferenz Ausnahmeregelungen für die Landwirtschaft gefordert, die Agrar-Exportstaaten wie die USA, Kanada und Thailand keinesfalls zulassen wollten. Am Ende gab es einen vorläufigen Kompromiß: Einerseits schließt die Aktions-Agenda der Apec Ausnahmesektoren bei der Liberalisierung grundsätzlich aus. Andererseits gesteht sie den Mitgliedsstaaten „Flexibilität“ bei den Liberalisierungsmaßnahmen zu, so daß beispielsweise Japan und China nicht unter unmittelbaren Druck zur Öffnung ihres Agrarmarkts geraten.

Ohnehin sind sich die Apec- Länder nicht einig, inwieweit die Beschlüsse ihrer Staatschefs auf den Gipfeltreffen der Organisation für das jeweilige Land bindenden Charakter haben. Besonders die asiatischen Mitgliedsstaaten drängen dabei auf ein flexibles Verfahren, das lediglich auf freiwilligen Liberalisierungsmaßnahmen einzelner Länder beruht. Immerhin profitieren sie bislang von den offenen Märkten Nordamerikas, während sie zu Hause hohe Einfuhrschranken aufrechterhalten. Südkoreas enorm hohe Zölle auf importierte Autos sind nur ein Beispiel.

Ein offener Dialog über die Interessen der Partnerländer hat in der Apec bisher dennoch kaum stattgefunden. Während vor allem die USA der Region ihre hehren Freihandelsprinzipien überstülpen wollen, versuchen die asiatischen Regierungen diese Politik zu unterlaufen. „Entwicklungshilfe ist genauso wichtig wie Liberalisierung“, heißt die versteckte Losung der japanischen Gastgeber in Osaka. Sie soll sichern, daß Japans staatliche Industriepolitik in Asien ein Modell bleibt.