Mit Spendierhosen im EU-Finanzloch

■ EU-Mitglieder wollen beim Sozialen sparen und anderswo Milliarden ausgeben

Brüssel (taz) – Theo Waigel will auch in Europa sparen. Bereits im Juli drängte er die anderen 14 Finanz- und Haushaltsminister der EU, den Budget-Vorschlag der Europäischen Kommission zusammenzustreichen. Sie kürzten bei Forschung, Kultur, Sozialprogrammen, Verbraucherpolitik und Entwicklungshilfe. Einsparergebnis: 1,3 Milliarden Mark – bei einem EU-Gesamthaushalt von 150 Milliarden Mark macht das nicht einmal ein Prozent aus.

Viel ist damit ohnehin nicht gewonnen. Vier Fünftel der Kürzungen hat das Europäische Parlament inzwischen wieder rückgängig gemacht. Und selbst wenn die Finanzminister jetzt in zweiter Lesung auf ihren Einsparungen bestehen, werden sie damit nicht durchkommen. In Haushaltsfragen hat das Parlament das letzte Wort.

Die Abgeordneten wehren sich dagegen, daß ausgerechnet bei Kultur- und Sozialausgaben sowie bei der Entwicklungshilfe gespart werden soll. Denn die wirklich großen Ausgaben-Brocken liegen woanders. Allein die Agrarpolitik schluckt fast die Hälfte des EU- Budgets. Weitere 35 Prozent gibt die EU an Strukturhilfen für wirtschaftlich schwache Regionen aus, fünf Prozent kostet die Verwaltung in Brüssel.

Neun Zehntel des Haushalts sind damit langfristig verplant und und von den Finanzministern vertraglich festgelegt. Für alle anderen Aufgaben, etwa für Außenpolitik, für Entwicklungshilfe oder Sozialprogramme, bleiben der EU gerade noch zehn Prozent oder 15 Milliarden Mark. Das ist weniger, als die Bundesregierung für Forschung und Bildung aufwendet. Weil die Europäische Union jedoch keine Schulden machen darf, kann sie nicht mehr ausgeben, als sie an Zöllen einnimmt und was die Mitgliedsländer an Beiträgen einzahlen.

Während die Finanzminister sparen wollen, versprechen ihre Regierungschefs aus politischen Gründen immer neue Hilfen für die EU-Nachbarländer. Allein 13 Milliarden Mark stellt die EU in den nächsten fünf Jahren für die wirtschaftlichen Reformen in Mittel- und Osteuropa zur Verfügung. Darauf hatte vor allem die Bundesregierung gedrängt.

Weil Spanien und Frankreich der Meinung sind, daß die EU zu sehr nach Osten schaut, haben sie als Ausgleich ein Mittelmeerprogramm für die Länder von Marokko bis Syrien durchgesetzt. Gesamtkosten für die EU: neun Milliarden Mark. Gegen den Widerstand der Finanzminister will das Europaparlament zumindest 400 Millionen Mark aus dem Mittelmeerprogramm in Sozialprogramme und Entwicklungshilfe zurückleiten. Alois Berger