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„Freiwillig“ nach Nigeria

■ Abgelehnter Asylbewerber wurde abgeschoben. Innenverwaltung bietet nur Asylnachfolgeantrag an

Der vorher in Abschiebehaft sitzende Westafrikaner A. ist nach Angaben von amnesty international am Freitag aus Berlin nach Nigeria abgeschoben worden. Noch mindestens ein weiterer Nigerianer sitzt in Abschiebehaft. Bündnis 90/Die Grünen hatten am Dienstag den Senat aufgefordert, sich dem Beispiel der SPD-geführten Bundesländer anzuschließen. Diese hatten nach der Hinrichtung von Ken Saro-Wiwa und acht weiteren Menschenrechtlern Abschiebungen von Flüchtlingen nach Nigeria bis zur nächsten Innenministerkonferenz der Länder Mitte Dezember ausgesetzt.

Thomas Raabe, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, gab an, A. habe unter drei verschiedenen Identitäten einen Asylantrag gestellt, zweimal als Kameruner, zuletzt dann als Nigerianer. Alle drei Anträge wurden abgelehnt. „Wir haben ihm angeboten, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Das wollte er jedoch nicht“, so Raabe. A. sei mit seiner Abschiebung einverstanden gewesen.

Nach der Erfahrung von Michael Kalkmann, bei amnesty international Referent für politische Flüchtlinge in Berlin-Brandenburg, bleibt „bei Westafrikanern die Staatsangehörigkeit häufig unklar“. Dann muß vor der Abschiebung ein aufnahmewilliges Land gefunden werden, das durch entsprechende Papiere die Staatsangehörigkeit anerkennt. „Häufig wird dann nach Gambia abgeschoben, die nehmen fast alle auf. Daß Nigeria einen Paß ausstellt, ist allerdings eher unüblich.“

Inwieweit das Einverständnis des A. durch seine Inhaftierung beeinflußt war, bleibt allerdings unklar. Abgelehnte Asylbewerber können ein Asylfolgeverfahren beantragen, wenn sich seit dem Asylbegehren neue Tatsachen zugunsten des Antragstellers ergeben haben. Hierzu gehört die politische Situation im Herkunftsland. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge prüft dann die Zulässigkeit des Asylfolgeverfahrens. Bis zu einer Entscheidung bleiben die Flüchtlinge jedoch in Abschiebehaft.

„Bei dieser Perspektive kann es dazu kommen, daß ein Asylbewerber lieber seiner Abschiebung zustimmt, als monatelang im Knast bleiben zu müssen“, schätzt Michael Kalkmann. Er geht davon aus, daß die Hinrichtungen in Nigeria sich in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes niederschlagen. Diese bilden die Grundlage für die Entscheidungen des Bundesamtes zur Zulässigkeit von Asylfolgeverfahren.

Amnesty selbst fordert keinen generellen Abschiebestopp. Die Ausgangslage in Nigeria habe sich durch die Hinrichtungen nicht grundlegend verändert, sie sei zudem zu kompliziert, um einen allgemeinen Überblick zu gewinnen. Auch gingen zu viele Leute freiwillig zurück.

Ähnlich sieht das auch Thomas Raabe: „In Nigeria ist es nicht überall gefährlich.“ Gereon Asmuth

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