■ Nachgefragt: Das war von Bock'sche „Gestaltungsfreiheit“
taz: Sie haben die Ermittlungsmethoden des ehemaligen Oberstaatsanwaltes von Bock und Polach im Fall Pflugradt überprüft. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Dr. Hans Janknecht (Generalstaatsanwalt): Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, daß ich die Ermittlungsführung für vertretbar halte.
Was heißt vertretbar?
Sie befindet sich in dem Rahmen, der Gestaltungsmöglichkeiten, die ein Staatsanwalt in einem Ermittlungsverfahren hat.
Von Bock hat mit Pflugradt gesprochen, ohne Aktenvermerk . Ist das nicht ein grober Verfahrensfehler?
Ich habe diesen Umstand auch kritisiert, weil ja inzwischen feststeht, daß dieser Besuch einen dienstlichen Bezug hatte und in Beziehung stand zu dem Ermittlungsverfahren. Wir haben keine ausdrücklichen Vorschriften, wann ein Staatsanwalt einen Aktenvermerk zu fertigen hat. Aber es ist zweifelsfrei, daß zu diesem Vorgang ein Aktenvermerk hätte angefertigt werden müssen. Daß das nicht geschehen ist, ist zu kritisieren.
Ein solcher Fehler kann immerhin dazu führen, daß das Verfahren kaputt gemacht wird. Sie sagen, dies läge in der gestalterischen Freiheit des Staatsanwaltes. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, das sehe ich nicht so. Wenn ich das sage, so ist das ein Gesamturteil, vor allem über den Vorwurf in der Öffentlichkeit, Herr von Bock hätte die Ermittlungen nicht mit der gebotenen Beschleunigung und Zielstrebigkeit geführt. Aber im Einzelfall sind natürlich Fehler gemacht worden. Einer dieser Fehler ist, daß über dieses Gespräch kein Aktenvermerk angefertigt worden ist. Ein anderer Fehler ist, daß die Vollmacht, die der Rechtsbeistand ausgestellt hat, nicht zu den Akten gelangt ist.
Gibt es weitere Fehler ?
Nein.
Reichen die Fehler ihrer Meinung nach aus, um ein Disziplinarverfahren einzuleiten?
Darüber habe ich kein Urteil abzugeben. Das ist Aufgabe des jetzigen Dienstvorgesetzen.
Der Amtsrichter Ernst von Schönfeld hat Strafanzeige gegen von Bock gestellt. Halten Sie die Anzeige für gerechtfertigt?
Ob die Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt begründet ist, wird derzeit in meiner Behörde geprüft. Der Ausgang dieses Verfahrens bleibt abzuwarten.
Ein Normalbürger, der unter Verdacht steht, eine sexuelle Nötigung begangen zu haben, bekommt sicherlich nicht die Gelegenheit, ein Vorgespräch mit dem Staatsanwalt zu führen. Ist dem Bürgerschaftsabgeordneten Pflugradt hier nicht ein Vorteil eingeräumt worden?
Also, nun ja, ich will mal so sagen. Es gehört zu den dienstlichen Obliegenheiten eines Staatsanwaltes, daß er sich mit Zeugen und Beschuldigten befaßt und daß er deren Aussagen dann aktenkundig macht. Als von Bock das Gespräch mit Pflugradst geführt hat, war dieser allerdings kein „Beschuldigter“
Aber Herr von Bock hat trotzdem ein inoffizielles Gespräch mit Pflugradt geführt.
Das weiß ich nicht. Ich kenne die Umstände, wie es zu diesem Gespräch gekommen ist, nicht. Ich weiß nur, daß es dienstlichen Bezug hatte. Insofern hätte es in der Tat einen Aktenvermerk, wenn nicht sogar ein schriftliches Protokoll geben müssen. In diesem Fall wäre es dringend geboten gewesen.
Seitdem von Bock das Verfahren abgegeben hat, sind vier Monate vergangen. Warum zieht sich das Verfahren in die Länge? Ist mit einer Anklage zu rechnen und wenn ja, wann?
Das Verfahren zieht sich nicht in die Länge. Es ist daran zu erinnern, daß Herr Pflugradt erst kürzlich eingeräumt hat, derjenige gewesen zu sein, der an dem bewußten Vorfall beteiligt war. Er hat allerdings bestritten, dabei Gewalt angewendet zu haben. Über den Ausgang des Verfahrens und über den Zeitpunkt seines Abschlusses kann – wie stets - keine vorläufige Prognose abgegeben werden.
Fragen: Kerstin Schneider
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