: Alle Jahre wieder: Fäkalienanschlag in Kreuzberg
■ Restaurant in der Görlitzer Straße wurde mit Buttersäure heimgesucht. Griechische Inhaberinnen sind ratlos. Bekennerschreiben liegt bislang nicht vor
In der Görlitzer Straße hängt ein ätzender Geruch in der Luft. Am Freitag morgen gegen fünf Uhr hatten etwa sieben Personen das Restaurant „fou-fou“ aufgebrochen, zwei Eimer mit Fäkalien über Bar und Espressomaschine gekippt und eine Flasche mit Buttersäure an die Wand geschleudert. Seitdem ist das Lokal geschlossen. „Die wollten hier alles zerstören“, vermutet Keti Danovasili, griechische Inhaberin des Restaurants, „aber der Hausmeister hat sie gestört.“ Die Vermummten flüchteten in den Görlitzer Park. Ein Bekennerschreiben für den Anschlag gibt es nicht.
Vergleichbare Anschläge hatte es in Kreuzberg zuletzt vor zwei Jahren gegeben. Höhepunkte der damaligen Anschlagserie waren im Oktober 1993 Handgranatenwürfe in das angebliche „Schicki“-Lokal „Auerbach“ und einen italienischen Weinladen. Mit den Anschlägen hatte die Gruppe „Klasse gegen Klasse“ das „proletarische Terrain“ Kreuzberg gegen die „Protagonisten der sozialen Durchmischung“ verteidigen wollen.
Bereits vor einem Monat hatten Unbekannte „Piss off yuppie scum“ an die Hauswand gesprüht. „Ich hab denen gesagt, sie sollen reinkommen“, meinte Keti Danovasili, „ich wollte mit denen reden.“ Aber auch da schon seien die Sprüher durch den Park weggerannt.
„80 Prozent unserer Kunden kommen hier aus der Ecke, das Essen kostet zwischen 15 und 25 Mark. Bloß weil wir ein bißchen Goldfarbe an den Wänden haben, glauben die anscheinend, daß wir auf dem Geld sitzen“, erklärt sich Frau Donavasili den aktuellen Anschlag, „aber sollen wir denn nur Kebab essen und Schultheiss trinken? Das ist nicht mein Stil.“
Seit 1981 lebt Keti Donavasili mit ihrer Schwester Marianne in Kreuzberg. „Wir hatten erst eine Kneipe in der Köpenicker“, sagt sie, „dann haben wir studiert, danach aber keine Arbeit gefunden.“ In Griechenland hätten sie sich nicht mehr integrieren können. In Kreuzberg hätten sie jedoch immer Geborgenheit gespürt. Nach einem Jahr Sozialhilfe fanden sie dann die leerstehende Kneipe in der Görlitzer Straße und eröffneten dort ihr Lokal, um aus der Arbeitslosigkeit zu kommen.
Bis vor wenigen Jahren befand sich in dem Eckhaus die Szenekneipe „Bargelb“, in der man bis in den Vormittag sein Bier trinken konnte. Wegen der Sanierung des Hauses mußte die Kneipe schließen, die heute vom „fou-fou“ bezahlten 45 Mark pro Quadratmeter waren von einer Kneipe wie dem „Bargelb“ nicht mehr zu finanzieren. Ähnlich erging es einer Reihe von Kneipen rund um den Görlitzer Park. Auch wenn sie sich das Essen im „fou-fou“ nicht leisten könnten, halten zwei Besucherinnen einer Nachbarkneipe die Preise für fair. „Der Anschlag ging an die falsche Adresse. Nur weil die die Miete bezahlen können? Die Miete machen ja nicht die.“
„Für meine Wohnung muß ich seit der Sanierung tausend Mark zahlen, da bin ich auch schon im Rückstand. Das politische System ist halt Scheiße“, kritisiert Danovasili die Mietenentwicklung, „aber was soll ich denn machen? Soll ich wieder zum Sozialamt gehen?“
Noch hofft sie, das Lokal am Freitag wieder eröffnen zu können. Wenn sie den Gestank jedoch nicht durch Putzen und Lüften aus den Räumen bekommt, muß zuvor umfangreich renoviert werden. Dann muß auch das von der Säure angefressene Wandbild mit den griechischen Musikern abgeschlagen werden, deren Rembetiko- Lieder während der Diktatur in Griechenland verboten waren und Danovasili an ihre kommunistische Vergangenheit erinnert. Gereon Asmuth
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