: Tennis-Germanen unter sich
■ Kurz nach Boris Beckers Sieg im Frankfurter ATP-Finale gewann Steffi Graf in New York durch einen Fünfsatzerfolg über Anke Huber das Masters-Turnier
Berlin (taz/dpa) – Fast war es wie in alten, glorreichen Zeiten: ein harmonischer Pas de deux der führenden deutschen Tennis- Koryphäen, die sich binnen weniger Stunden zwei der bedeutendsten Tennistitel sicherten. Boris Becker gewann die ATP-WM in Frankfurt, Steffi Graf siegte beim Masters in New York. Als Zugabe hieß die in einem spannenden Fünfsatzmatch unterlegene Gegnerin auch noch Anke Huber, und verzweifelt fragt der Figaro: „Was haben diese Germanen bloß mehr als wir?“
Jede Menge Stehvermögen vor allen Dingen. Während die Konkurrenz am Jahresende langsam schlappmacht, die Lust verliert oder ihre im Laufe der Saison erworbenen Wehwehchen auskuriert, drehen die deutschen Cracks erst richtig auf, was in besonderem Maße auf Steffi Graf zutrifft. Vater im Knast, Rücken kaputt, Füße voller Blasen – spielt alles keine Rolle. Ihre Vorhand prügelt die Bälle, bis auf wenige Phasen der Unkonzentriertheit, präzise und hart wie eh und je in die Ecken des Platzes, und niemand kann ihr das Wasser reichen.
„Das war das beste Jahr meiner Karriere“, sagte Steffi Graf nach ihrem Masters-Triumph allen Ernstes, deutlicher konnte sie kaum ausdrücken, wie sehr sie sich in den letzten Wochen von allen privaten und steuerlichen Wirrnissen abgekoppelt und in eine rein sportliche Welt geflüchtet hat. Tatsächlich reihte sie in keinem Jahr seit 1988, als sie Olympia und den Grand Slam gewann, so viele bedeutende Siege aneinander wie 1995, was natürlich vorzugsweise daran lag, daß diejenige nicht mitspielte, die solches seither verhindert hatte: Monica Seles. Der süßeste Triumph war daher sicherlich jener bei den US Open, als sie in einem dramatischen Match ebenjene Seles, kurz nach deren Comeback, bezwingen konnte. Neun Titel, darunter die Grand-Slam-Turniere von Paris, Wimbledon und Flushing Meadow, hat Graf in diesem Jahr gewonnen, von 47 Matches nur zwei verloren, und das mühsame 6:1, 2:6, 6:1, 4:6, 6:3 gegen eine phasenweise groß aufspielende Anke Huber war der optimale Schlußpunkt.
„Ich habe in diesem Jahr viele Dinge über mich selbst herausgefunden. Ich habe Hürden übersprungen, von denen ich nicht gedacht hätte, daß ich sie überspringen kann. Ich bin an neue Grenzen gestoßen und habe dabei alles aus mir rausgeholt, was es rauszuholen gibt“, zog die 26jährige in New York eine Bilanz, die ziemlich merkwürdig klingt, wenn man an die Steueraffäre und ihre väterlichen Implikationen denkt. Vermutlich waren aber auch diese Sätze streng sportlich gemeint.
Fern der unwirtlichen Heimat trat sie jedenfalls völlig anders auf als noch beim verpatzten Turnier in Brighton, wirkte gelöst und suchte ihr Heil vor allem im Tennis. „Ich habe, glaube ich, das ganze Jahr über gezeigt, daß ich mich trotz allem konzentrieren kann, wenn ich muß“, erklärte Graf nach dem zehnten Sieg im zehnten Duell gegen Anke Huber. 4:3 führte Steffi Graf im fünften Satz bei Aufschlag Huber, als dieser die Nerven endgültig versagten. „Es wurde immer enger und ich immer aufgeregter. Ich habe angefangen zu zittern und wurde dann zu ungeduldig“, analysierte Anke Huber, die von den 15.137 Fans im Madison Square Garden mit Ovationen verabschiedet wurde.
Steffi Graf hat derweil bereits die erste positive Nachricht für die kommende Saison: Eine japanische Elektronikfirma steht nach der Absage von Opel als neuer Sponsor fest. Die Plastiktüten mit den Yen-Bündeln sollen schon unterwegs sein. Matti
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