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Zu lange González treu ergeben

■ Bei den Regionalwahlen in Katalonien verliert die nationalistische CiU erstmals die absolute Mehrheit

Madrid (taz) – Der große Verlierer der katalanischen Regionalwahlen vom vergangenen Sonntag heißt Jordi Pujol, Chef der Regierung in Barcelona und Vorsitzender der nationalistischen Convergencia i Uniò (CiU). Fünf Prozentpunkte verlor die CiU, die mit 41 Prozent jetzt gerade noch 60 Abgeordnete in das 135 Mitglieder umfassende Parlament entsenden kann – zehn weniger als noch vor vier Jahren. Das bedeutet den Verlust der absoluten Mehrheit.

Die Wähler straften damit die Nationalisten für die Unterstützung der Regierung von Felipe González in Madrid. Über zwei Jahre lang hatte CiU die angeschlagenen Sozialisten gedeckt. Und auch wenn Jordi Pujol immer wieder herauszustellen versuchte, was ihm Madrid im Gegenzug alles bewilligte – von eigener Regionalpolizei bis zu mehr Steuereinnahmen – wandte sich ein Teil der Wähler enttäuscht ab und gab seine Stimme der „Republikanischen Linken Kataloniens“ (ERC), die wie die kommunistische „Vereinigte Linke“ drei Prozent zulegte.

Aus der Parteizentrale der sozialistischen PSOE in Madrid kommen ostentativ zufriedene Töne. Zwar habe deren katalanischer Ableger, die PSC, sechs Sitze von bisher 40 verloren, aber die Fraktion sei noch immer doppelt so stark wie der Erzgegner, die Partido Popular (PP). Deren Vorsitzender, Oppositionsführer José Maria Aznar, ist eigentlich der einzige, der so richtig Grund zur Freude hat. Seine konservative PP verdoppelte die Zahl ihrer Abgeordneten im Regionalparlament in Barcelona und ist fortan mit 13,1 Prozent und 17 Sitzen die drittstärkste Kraft. Nach diesem respektablen Ergebnis macht sich die PP Hoffnungen auf eine absolute Mehrheit bei den gesamtspanischen Wahlen im März.

Aznar hatte den Seinen eigens für die Wahlen ein katalanisches Outfit verpaßt. Er gewann den CiU-Aussteiger José Maria Trias Blas als Kopf der Liste. Und die sonst starke Ausrichtung auf zentralstaatliche Einheit wich einem moderaten Ton: Katalanismus ja, aber Spanien nicht vergessen, lautete die Parole von Trias Blas – der damit selbst der CiU noch Stimmen abjagen konnte.

Der alte und neue Regierungschef in Barcelona, Jordi Pujol, steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, einen Koalitionspartner zu finden. Die Sozialisten bieten sich an – aber kaum ohne Gegenleistung, nachdem die CiU Felipe González in Madrid fallenließ. Auch eine Einigung mit der ERC dürfte nicht so leicht sein: Deren Programm fordert den Ausbau der Autonomie und perspektivisch die Unabhängigkeit Kataloniens – zu radikal für die gemäßigten Nationalisten von Pujol. Bleibt die PP. Doch dies wäre ein Richtungswechsel, der künftig noch mehr Stimmen kosten könnte. Denn vielen Katalanen gilt Spaniens Rechte bis heute als Erbe der Franco-Diktatur, die jahrzehntelang Sprache und Kultur Kataloniens unterdrückte. Reiner Wandler

Portrait Seite 11

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