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Wohlklang bis zur Schmerzgrenze

■ Der New-Age-Gitarrist „Friedemann“ badete den Schlachthof in wolkige Harmonien aus, und die reinen Seelen seufzten

Wie schön ist es doch im Belchenlande! Die Sonne geht auf, Wolken schmiegen sich an die Berghänge, die Kelten feierten hier ihre Feste und in ganz klaren Nächten kann man im Sternsee die Elfen mit ihrer gläsernen Kutsche fahren sehen. Davon erzählte Friedemann Witecka in seiner musikalischen Märchenstunde, und kaum einer im vollbesetzten Schlachthof wurde nicht durch seinen wohlklingenden Dauerbeschuß eingelullt. „Ach, wie schön!“ seufzte eine reine Seele im bunten Pullover. Der Rest der Zuhörerschaft lauschte ähnlich ergriffen, aber mucksmäuschenstill Friedemanns „Legends of Light“.

Mit Dias von idyllischen Landschaften, die auf einen weißen Vorhang projiziert wurden, stimmte der harmoniesüchtige Gitarrist sein Publikum auf diese musikalische Verklärung seiner Heimat ein. Und so geleckt und kunstgewerblich wie diese Kalenderblattfotos war dann auch der ganze Auftritt. Ordentlich in weiße Hemden gekleidet spielten die sieben Musiker auf der Bühne so sauber und steril, daß man entweder nur noch ganz positiv denken konnte, oder sich mit zunehmender Verzweiflung nach mindestens einer falsch gespielten Note sehnte. No such luck!

Selbst die Zwischentexte, in denen Friedmann von den Bergen, Elfen und Kelten erzählte, waren nie so peinlich, daß man man sich durch einen boshaften Lacher etwas Erleichterung verschaffen konnte. Es ist schon komisch, daß Friedemann mit seiner Musik zwar an heimatlichen Landschaften, Stimmungen und Traditionen erinnern will, aber die Kompositionen nach seinen wohlformulierten Einführungen mit ihren banalen englischen Titeln wie „The Joy of ...“, „Spring in ...“, „Lament of ...“ vorstellte. Aber natürlich hofft der Musiker auch auf internationalen Erfolg.

Dieses Suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner scheint auch das Grundprinzip von Friedemanns Musik zu sein. Aus Volksmusik, Klassik und Jazz nimmt er sich die eingängisten Bestandteile, kombiniert sie geschickt zu besinnlichen Instumentalstücken und poliert dann so lange daran herum, bis sie ohne jeden Widerstand in die Ohren der Zuhörer flutschen.

Neben Friedemann mit seinen verschiedenen Gitarren, die er mit der Präzision eines klassischen Musiker spielte, war das Belenos Orchester mit Keyboards, Baß, Schlagzeug, Saxophon, Akkordeon und Vibraphon instrumentiert. Der Meister selbst griff bei den Arrangements voll in die Register. Mal hallten die Gongs, mal klang der Syntheziser so süßlich wie das Gezupfe eines ganzen Balalaika-Satzes, mal blies der Saxophonist ein jazziges Solo. So wurde es nie langweilig. Aber auch nie wirklich aufregend. Immer dezent, ohne jeden Biß, aber dafür sehr kultiviert kam der Kitsch hier als New-Age-Klang-Balsam daher.

Willy Taub

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