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Das Aus für Mülheim-Kärlich ist besiegelt

■ Oberverwaltungsgericht Koblenz kassiert endgültig die erste Teilerrichtungsgenehmigung und läßt nicht einmal eine Revision zu

Koblenz (AP) – Ein seltenes und erfreuliches Schauspiel bot sich gestern nachmittag am Oberverwaltungsgericht in Koblenz: Durch beständiges Klagen der AKW-Gegner vor Ort wird wohl das Kraftwerk Mülheim-Kärlich endgültig stillgelegt. Die vor 21 Jahren erteilte erste Teilerrichtungsgenehmigung wurde aufgehoben, weil die von Eifelvulkanismus und Erdbeben ausgehenden Gefahren nicht ordnungsgemäß berücksichtigt wurden. Der Vorsitzende Richter Burkhard Hoffmann erklärte sogar, eine Revision zum Bundesgerichtshof werde nicht zugelassen. Die Menschen der Bürgerinitiative jubelten.

Das sieben Milliarden Mark teure Kernkraftwerk ist umstritten, da es nach Ansicht von Kritikern in einem stark erdbebengefährdeten Gebiet liegt. Die rheinland-pfälzischen Grünen forderten wiederholt die völlige Stillegung des Reaktors. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte das Kraftwerk am 19. April 1993 einen Tag lang besetzt.

Die Umweltschützer kritisieren, die Atomanlage sei ein Schwesterreaktor des amerikanischen Kraftwerks Harrisburg, in dem es 1979 zu einem schweren Atomunfall gekommen war. Dieser Anlagentyp sei 1987 von der amerikanischen Atomkontrollbehörde als extrem gefährlich eingestuft worden. Die Betreiberfirma RWE sieht den 1.300-Megawatt-Reaktor dagegen als eines der weltweit sichersten Atomkraftwerke an.

Um Mülheim-Kärlich tobt seit den 70er Jahren ein erbitterter Rechtsstreit, eine der längsten Auseinandersetzungen der deutschen Rechtsgeschichte. Nach der Aufhebung der ersten Teilgenehmigung durch das Bundesverwaltungsgericht mußte der Atommeiler 1988 abgeschaltet werden.

Auch eine neugefaßte erste Teilgenehmigung der damaligen CDU/FDP-Landesregierung wurde 1991 vom Oberverwaltungsgericht Koblenz für nichtig erklärt. Nach einer Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mußte sich das gleiche Gericht seit Mai 1994 nochmals mit der Rechtmäßigkeit der ersten Teilgenehmigung beschäftigen.

Im Dezember 1993 lehnte die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini die Erteilung der Dauerbetriebsgenehmigung für Mülheim-Kärlich ab. Die SPD-Politikerin begründete diesen Schritt allerdings nicht mit Sicherheitsmängeln des Atomreaktors, sondern mit dem Fehlen eines Endlagers für Atommüll in Deutschland. Auf Weisung des damaligen Bundesministers für Umwelt und Reaktorsicherheit, Klaus Töpfer, mußte Martini die Entscheidung rund zwei Wochen später wieder zurücknehmen.

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