piwik no script img

Geteilter Frieden für Bosnien

■ Friedensabkommen in Dayton beschlossen: Bosnien bleibt ein Staat, besteht aber aus zwei Gebieten

Genf/Dayton (taz) – Nach mehr als drei Jahren Krieg mit Zehntausenden Toten und Verletzten, unermeßlichen Zerstörungen und „ethnischen Säuberungen“ beschlossen Muslime, Kroaten und Serben ein Friedensabkommen. Die Bosnien- Verhandlungen im amerikanischen Dayton wurden von den Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Bosniens am Dienstag abend erfolgreich abgeschlossen, ein „umfassendes Friedensabkommen“ paraphiert. Die Zustimmung der bosnischen Regierungsdelegation unter Präsident Alija Izetbegović zu dem Dokument erfolgte erst, nachdem seine beiden Amtskollegen aus Serbien und Kroatien bereits in der Nacht zum Dienstag ihr Einverständnis signalisiert hatten. Die Unterzeichnung des Abkommens soll Anfang Dezember in Paris erfolgen.

US-Präsident Clinton persönlich gab das Friedensabkommen gestern abend in Washington bekannt. Nach der unbefristeten Verlängerung des Waffenstillstands soll zwischen den feindlichen Truppen eine vier Kilometer breite Pufferzone geschaffen werden, in der Soldaten der von der Nato geführten multinationalen Überwachungstruppe (PIF) stationiert werden. Bosnien bleibt auf dem Papier als einheitlicher Staat in seinen international anerkannten Grenzen vom April 1992 bestehen, wird allerdings in zwei „Einheiten“ unterteilt: die Muslimisch-kroatische Föderation und die Serbische Republik mit jeweils rund 50 Prozent des bosnischen Territoriums. Zur Serbischen Republik gehören die im Juli von den Serben eroberten früheren ostbosnischen UNO- „Schutzzonen“ Srebrenica und Žepa. Goražde verbleibt bei der bosnisch-kroatischen Föderation und wird durch einen Landkorridor mit Sarajevo verbunden. Der serbisch kontrollierte Ost-West-Korridor im Savetal, der die serbischen Gebiete in Ostbosnien mit der Region Banja Luka verbindet, wird verbreitert. Ob die bosnische Regierung wie verlangt einen Zugang zur Save bei Brčko erhält, wurde zunächst nicht bekannt. Vor allem dieses Problem war Gegenstand der Verhandlungen in den letzten 24 Stunden vor Bekanntgabe des Abkommens.

Sarajevo soll ungeteilt bleiben: Rund zwei Drittel der Stadt, der Flughafen sowie wichtige Straßen und Eisenbahnlinien nach Norden und Westen fallen unter Kontrolle der Föderation. Etwa ein Drittel bleibt unter serbischer Verwaltung. Die Serben können ihre südöstlich von Sarajevo gelegene Hochburg Pale zur Hauptstadt ihrer künftigen Republik machen. Sarajevo soll Sitz der in der Verfassung vorgesehenen gemeinsamen Institutionen des Staates Bosnien werden: eines von allen StaatsbürgerInnen direkt gewählten Parlaments und einer neunköpfigen Präsidentschaft mit jeweils drei Serben, Kroaten und Muslimen bei rotierendem Vorsitz. Als erster soll ein Muslim den Vorsitz übernehmen. Weiter vorgesehen sind eine Zentralbank und ein Verfassungsgericht.

Offensichtlich nicht durchsetzen konnte die bosnische Regierung ihre Forderung nach einer eindeutigen Klausel, wonach sich alle Unterzeichner des Abkommens zur Auslieferung von Personen verpflichten, gegen die das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Anklage erhoben hat. Das Abkommen verbietet diesen Personen nur, sich künftig im Staat Bosnien um ein politisches Amt zu bewerben. Damit bleibt offen, ob die Serbenführer Karadžić und General Ratko Mladić an das Tribunal ausgeliefert werden. Andreas Zumach Seite 8

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen