: Vorschlag
■ Needcompany mit Snakesong Trilogy II im Hebbel Theater
Mutter vor der Versteinerung Foto: Phile Deprez
Sex und Macht, Liebe und Tod. Um die Grundkoordinaten menschlichen Daseins drehen sich alle Arbeiten des Brüsselers Jan Lauwers und seiner Needcompany. Im ersten Teil der „Snakesong Trilogy“ umkreiste er den Voyeurismus mittels einer multisprachlichen Verhörsituation. Zuschauen, ohne einzugreifen, durchleuchtet wie im Bilderlabor. Diese Erzählweise greift Lauwers auch im zweiten Teil „Le Pouvoir“ wieder auf. Die Grundkoordinaten sind die gleichen geblieben. Die Liebe, die den Tod gebiert, die Gewalt, die auch Leidenschaft ist.
Ausgangspunkt ist ein klassischer Mythos: die Paarung von Leda mit dem Schwan. Der Hintergrund – Zeus zeugt mit der schönen Königin Spartas in Gestalt des weißen Federviehs Helena und die beiden Dioskuren – spielt kaum eine Rolle. Lauwers interessieren die Grenzüberschreitungen: Wann und warum schlägt Lust in Gewalt um, welche Konsequenzen hat eine Vereinigung, die zum Tod führt? Eindeutige Antworten kann es nicht geben. Das macht schon die erste Bilderfolge deutlich. Zu einer Arie des Needcompany-Hauskomponisten Rombout Willems tauchen halbnackte, kaum erkennbare Figurengruppen aus der Dunkelheit auf: der Mythos in Unterwäsche. Danach regiert nur noch das Wort. Beim Verhör, geführt von einer Shakespeare- Königin (Viviane De Muynck) und Professor Freud (Mil Seghers) wird die Wahrheit hinter dem tier-menschlichen Vereinigungsakt gesucht. Vergeblich. Denn keiner gibt seinen Standpunkt auf. Das ändert sich auch nicht durch den Wechsel der Perspektive. Eine bürgerliche Szenerie behauptet der zweite Akt. Jenseits des Mythos, in Antwerpen, irgendwann heute. Königin und Professor sind jetzt Vater und Mutter, Leda die Tochter. Diesmal stirbt die Mutter. Aber nicht den Liebestod. Sie versteinert – eine Auflösung ohne Lösung.
Von Formspielereien ist Jan Lauwers weiter entfernt denn je. Er reduziert sein Forschungsfeld auf ein gläsernes Gerüst der Beziehungen und Gefühle. Dank seiner exzellenten Truppe gelingt ihm eine leidenschaftlich kühle, bei aller ironischen Konstruiertheit hochdramatische Analyse der menschliche Lebensmotoren: farbig bleich und bilderkarg bildlich. Gerd Hartmann
Jan Lauwers & Needcompany, The Snakesong Trilogy, Part Two: Le Pouvoir, heute und morgen, 20 Uhr, Hebbel Theater, Stresemannstraße 29, Kreuzberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen