Unterm Strich

Total viel entdeckt wurde in den letzten Tagen, ein wahrer Zutageförderungstaumel bricht sich Bahn, wenn man die Welt im Spiegel der Kurzmeldungen betrachtet. So wurde zum Beispiel von holländischen Archäologen ein 2.000 Jahre alter Hering aus dem Erdreich gezogen. Das zwölf Zentimeter lange Fischskelett wurde auf das Jahr 100 nach Christus datiert, was den bisherigen Altersrekord, gehalten von einem bei Utrecht gefundenen Exemplar (9. Jahrhundert), einstellt. „Wir haben den Hering zwischen einer Menge Abfall in den Trümmern einer Schleuse gefunden, die zu einem römischen Entwässerungssystem gehörte“, sagte der Archäologe Jeroen ter Brugge am Mittwoch in die laufenden Kameras.

Ein aufsehenerregender Fund ist auch aus Stuttgart zu melden. In den Magazinen der Württembergischen Landesbibliothek, die rund 14.000 Ausgaben der Heiligen Schrift von der Gutenberg-Bibel von 1450 bis zur Computerversion enthalten, „schlummerte“ (dpa) ein „äußerlich eher unscheinbares Exemplar“, das jetzt „von sich reden“ macht. Es handelt sich nämlich um das ureigene Handexemplar (mit persönlichen Randbemerkungen!) von Martin Luthers lateinischer Bibel. Von der Welt verkannt lagerte es so mir nichts dir nichts im Regal seit der Biobliotheksgründung 1784 durch Herzog Carl Eugen, und das alles auch noch in Stuttgart, das, laut dpa, eine „internationale Drehscheibe für Druck und Verbreitung von Urtextausgaben und Gebrauchsbibeln“ ist – was wir gestehen, bislang in dieser Zuspitzung gar nicht gewußt zu haben.

In Israel, und zwar im nordwestlich von Jerusalem gelegenen Westjordanland, wurde gar ein ganzes Dorf (2.000 Jahre) entdeckt. Neben einem Dutzend Häusern, gepflasterten Straßen, Lagerhäusern, Ställen und rituellen Bädern begreift [hä?! – die korr.in] der Fund auch eine der ältesten Synagogen mit ein.

Schlecht stehen dagegen die Chancen für die Schleswig-Holsteiner Schatzsucherschaft. Weil droben im Norden (Wattenmeer!) offenbar eine aktive Community gräbt und gräbt und die Dunkelziffer an gefundenen Schätzen nach der Redaktion vorliegenden Erkenntnissen gemeinhin schwer unterschätzt wird, hat das Kabinett in Kiel kurzerhand beschlossen, daß in Zukunft automatisch alles an den Staat geht. Wenn das mal nicht Konsequenzen hat! Bisher galt für „bewegliche Kulturdenkmale“ das Schatzfundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach das Fundstück je zur Hälfte dem Grundbesitzer und dem Entdecker zufällt.

Wo wir schon beim Thema sind (da oben und so): Daß es in Ostfriesland ganz tolle Bibliotheken gibt, hätten Sie wohl nicht gedacht. Tatsächlich aber wurde die älteste und bedeutendste Büchersammlung der Ostfriesen am Mittwoch in Emden neu eröffnet. Sie heißt Johannes-a-Lasco-Bibliothek, besteht seit 435

Jahren und umfaßt 40.000 Bände. Benannt ist sie nach dem polnischen Geistlichen Jan Laski (den die Ostfriesen in ihrer Art etwas eigenwillig eingedeutscht haben), im 16. Jahrhundert in diesem Landstrich eine Art Superintendent.

Was lange geflüstert, wird endlich Spatz auf dem Dach: Dr. Karl H. Blessing, Geschäftsführer bei Droemer/Knaur und dort zuständig für den Programmbereich, ist „fristlos beurlaubt“ (So was gibt's? Sachen gibt's ...). Warum? Weil er seinem Partner Peter Schaper u.a. vorgeworfen haben soll, Mitglied von Scientology zu sein. Den Beweis hat er allerdings niemals angetreten. Und nun? Wird ein Nachfolger gesucht, Bewerbungen bitte an den Verlag, Telefon (089) 9 27 10 (Telefonzentrale bei Droemer/ Knaur).

Marguerite Duras will ihr literarisches Archiv (Romanentwürfe, Essays, Drehbücher, Artikel) einem Verleger-Institut in Paris überlassen. Die Korrespondenz desgleichen. Bei dem Institut Memoires de L'Edition contemporaine (IMEC) handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein. In seinen Kellern „schlummern“ auch die Nachlässe von Althusser und Genet.

50.000 Francs (rund 15.000 Mark) Schadenersatz muß John Fuegi, US-Historiker und Brecht-Biograph, nebst seinem französischen Verleger an die Tochter des Schriftstellers, Marianne Brecht-Schall, zahlen. Er hatte behauptet, Brecht-Schall sei ein uneheliches Kind Brechts mit einem Hausmädchen. Auch zahlreiche andere Passagen des Buchs seien „diffamierend“.

Mohammed Khair-Eddine, marokkanischer Berber, Schriftsteller und als solcher Mißachter von Kommaregeln, Rebell gegen die Zwänge auch der marokkanischen Gesellschaft und Anti-Islamist, ist tot. Khair-Edine hatte Krebs. Auf deutsch ist bislang nur der 170-Seiten-Roman „Agadir“ erhältlich.