piwik no script img

Lockeres Gemetzel am Original

■ FreitagNacht: Hamlet gekonnt zur Klamotte „Yorricks Schädel“ verwurstet

Claudius ein verlotterter Alkoholiker mit langen Unterhosen, die zwischen den Beinen einen großen gelben Fleck zeigen, der Geist eine Klopapiermumie mit lehmigen Haaren, Getrude eine ihren Sex-Appeal durchs rosa Pailletenkleid quetschende Party-Schöne, Polonius ein Hausmeister und Hamlet ein Pollunder-Studioso in Schwarz – es ist nicht schwer zu erraten, das Shakespeare hier Stichwortgeber für ein lockeres Gemetzel am Original ist.

Yorricks Schädel, eine jugendliche Inszenierung für das FreitagNacht-Programm des Thalia-Theaters, ist dann auch ein Stück, das nach dem Motto verfährt: „Wie Shakespeare uns geschmeckt hat, erzählen wir gerne weiter.“

Die eineinhalbstündige Inszenierung von Leonard Koppelmann, aufgeführt im Mittelrangfoyer, verwendet für ihre respektlose Klamotte mit Shakespeare-Textfragmenten dann auch den alten Trick des Theaters im Theater, mit dem man so schön das Pathos vertreibt, ohne die Würde zu diskreditieren. Hamlet, gleichzeitig Regisseur des Stückes und seine Hauptfigur, erlebt die aufs notwendigste reduzierten Grundkonflikte des Klassikers dann auch als Doppelspiel zwischen Proben- und dänischem Staat, allerdings im Geiste von Comedy.

Natürlich braucht man als Publikum dafür eine gewisse alberne Grundhaltung, um wirklich mitlachen zu können, wenn Shakespeares Text sinnenstellt und durch Situationskomik drapiert wird, aber wer Spaß an derartigem bildungsbürgerlichen Blödsinn hat, der wird hier gut bedient. Rosenkranz und Güldenstern etwa kaspern sich pointenreich durch das Chaos und lassen erkennen, daß an ihnen sowohl Monty Python als auch Buster Keaton nicht spurlos vorbeigegangen ist.

Deutsche Schlager und hübsche Konstüme runden den Spaß zu einer Unterhaltung ab, die vielleicht nicht nur von der kleinen Kulisse im Thalia ihren Applaus bekommen sollte.

Till Briegleb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen