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■ Holländische Klinik bietet künstliche Befruchtung mit vorsortierten Spermien an

Den Haag (taz) – Soll es diesmal ein Junge oder lieber ein Mädchen sein? Eine Zentrifuge und ein paar Reagenzgläser genügen, um das Geschlecht direkt bei der Zeugung festzulegen. Diesen Service bietet nun eine neue Privatklinik im niederländischen Utrecht an. Das Gender Behandlungszentrum trennt die Spermien des Patienten nach den geschlechtsbestimmenden Chromosomen auf und befruchtet anschließend die Eizellen der Patientin mit der gewünschten Spermiensorte. Drei Paare unterziehen sich inzwischen der Behandlung, insgesamt haben sich nach Angaben der Klinik etwa hundert Paare eingeschrieben. Knapp 2.000 Gulden (rund 1.800 Mark) kostet die erste Behandlung, die folgenden drei sind dann etwas günstiger. Im Durchschnitt werden die Frauen erst nach der vierten künstlichen Befruchtung schwanger. Die Chance, daß der Wunsch nach einem männlichen Nachkommen erfüllt werden kann, liege bei 80 Prozent, gibt das Institut bekannt. Bei Mädchen soll die Erfolgsquote etwas kleiner sein.

Zahlreiche Eltern, die sich bei dem Institut melden, sollen bereits drei oder auch mehr Kinder desselben Geschlechts haben. Eine Wahl aus medizinischen Gründen, um etwa die Weitergabe von Erbkrankheiten zu verhindern, will die Institutsleitung dagegen nicht akzeptieren – bei Mädchen ist die Chance einer Vererbung weniger groß. Institutsdirektor Bert van Delen spricht bei seinem „Service- Angebot“ von einem „Dienst an der Menschheit“. Der gesundheitliche Aufsichtsdienst kontrolliert indes, ob ein ungesetzliches Handeln vorliegt. Ärzte dürfen zum Beispiel ihren Patienten keine falschen Versprechungen machen. Wissenschaftlich betrachtet ist die Treffsicherheit der angewandten Methode nie bewiesen worden. Der nationale Gesundheitsrat in den Niederlanden glaubt, daß die Klinik mehr verspricht, als sie halten kann. Bei dem Verfahren, das schon in den 70er Jahren in den USA entwickelt wurde, sei nach aller Erfahrung eine Erfolgsquote von 60 Prozent realistischer. Damit liegt sie knapp über der 50-Prozent-Chance, die die Natur den Eltern ohnehin überläßt. Das Institut weist indes darauf hin, daß es seinen Kunden keinen Erfolg garantiert. Vor der Behandlung müßten sie versprechen, das Kind nicht abzutreiben, sollte dessen Geschlecht nicht ihrem Wunsch entsprechen.

Weltweit bieten nur 50 Privatkliniken das Verfahren an. Im belgischen Flandern hat die Regierung die Eröffnung einer weiteren Klinik vor kurzem erst verboten. Die niederländische Gesundheitsministerin Els Borst-Eilers bereitet jetzt einen Gesetzentwurf vor, der die Geschlechtswahl mittels Befruchtungstechnik untersagen soll. Harald Neckelmann

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