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Es geht nur um Rache

■ S. Andrawes' Auslieferung an die deutsche Justiz

Die Bundesanwaltschaft hat es tatsächlich geschafft. Nach monatelangem Druck auf die norwegischen Behörden ist am Wochenende die Palästinenserin Souhaila Andrawes ausgeliefert worden. Sie soll wegen der Entführung der Lufthansamaschine Landshut angeklagt werden – 20 Jahre nach der Tat.

Die Anklage gegen Souhaila Andrawes, die in den letzten fünf Jahren in Norwegen lebte und die bis heute aufgrund der Schußverletzungen durch das GSG-9-Kommando auf Krücken angewiesen ist, hat einen außen- und einen innenpolitischen Aspekt. Am gleichen Tag, als die jetzt 42jährige auf dem Hamburger Flughafen landete, um in einem deutschen Knast zu verschwinden, besuchte noch ein anderer prominenter Palästinenser die Stadt. Jassir Arafat, Friedensnobelpreisträger und mittlerweile auch in Bonn wohlgelittener oberster Repräsentant des palästinensischen De-facto-Staates, erkundete in der Hansestadt Müllverbrennungsanlagen und Hafenkais.

Drastischer hätte der Anachronismus des bevorstehenden Verfahrens kaum demonstriert werden können, schließlich geschah die Entführung der Landshut zwar nicht auf seinen direkten Befehl, aber doch auch in seinem Namen. Aber was ist schon der Friedensprozeß im Nahen Osten, was bedeutet der Bundesanwaltschaft die beginnende Versöhnung zweier Völker, wenn sich die Gelegenheit bietet, alte Rechnungen zu begleichen?

Dabei ist die kranke Andrawes, die wegen der Entführung in Somalia schon einmal verurteilt und dort nach zwei Jahren freigelassen wurde, kaum mehr als ein Mittel zum Zweck. Sie, die glaubhaft versichert hat, sie hätte damals keine Ahnung gehabt, daß die Landshut-Entführung als Unterstützung für die RAF gedacht war, soll nun vor allem eine Deutsche belasten. Die Bundesanwaltschaft will mit Hilfe der Palästinenserin beweisen, daß Monika Haas, die seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, die Waffen für das Kommando nach Mallorca gebracht hat.

In der letzten Woche hat, ungewöhnlich genug, der harte Kern der RAF um Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt in einer schriftlichen Erklärung bestritten, daß Monika Haas die Waffen geschmuggelt hat und Verbindungen zur RAF gehalten hätte. Doch die Bundesanwaltschaft hat schon seit längerem bewiesen, daß ihr Dialog und Versöhnung nicht nur im Nahen Osten, sondern auch im eigenen Land gleichgültig sind. Sie redet von Gerechtigkeit und meint doch nur Rache. Jürgen Gottschlich

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