piwik no script img

Handy-Signale aus der Unterwelt

■ Ab heute kann auf der U4 per Handy kommuniziert werden

Vorgestern noch hatte Bild „Handys in der U-Bahn“ auf der Out-Liste stehen. Logisch, weil unsinnig. In der U-Bahn hatten die Mobilfunkfreunde genausowenig was zu sagen wie in Tiefgaragen, Weltkriegsbunkern oder Bergwerksstollen. Ab heute, 12 Uhr mittags, aber ist das Handy im Untergrund der Berliner Verkehrsbetriebe mega-in: Auf den fünf Stationen der U4 von Nollendorfplatz bis Innsbrucker Platz können Teilnehmer des E-plus-Netzes die Fahrtzeit nutzen, um Privates oder Geschäftliches zu erledigen. Berlin hat dabei europaweit die Nase vorn, wie die BVG stolz verkündet. Und es ist schon beschlossen, daß demnächst im gesamten U-Bahn-Netz telefoniert werden kann. Über die Kosten schweigt man sich bislang aus. Das soll heute am Rande eines Sektempfanges auf dem U-Bahnhof Innsbrucker Platz mitgeteilt werden.

Das Verfahren, die Funkwellen in den Untergrund bis in den U-Bahn-Waggon zu lenken, ist sehr aufwendig. Zunächst müssen die Wellen über Signalverstärker und Relaisstationen in den Untergrund gelangen. Bis hierhin, also bis auf die Bahnsteige der U-Bahnhöfe, ist man im übrigen bei dem E-plus-Konkurrenten, dem D2-Netzanbieter Mannesmann, schon lang gekommen. Seit September können Handyfreunde in Dortmund von U-Bahn-Stationen aus telefonieren.

E-plus und die BVG setzen noch einen drauf: Damit man im rollenden Waggon telefonieren kann, haben die Berliner „Schlitzkabel“, in welche die Funksignale eingespeist werden, durch den Tunnel gelegt. Ein „Schlitzkabel“ funktioniert so wie ein Antennenkabel für den Fernseher mit einer Innen- und einer Außenleitung. In regelmäßigen Abständen befinden sich in der Außenleitung Schlitze, aus denen die Signale treten.

Bei Mannesmann guckt man keineswegs in die Röhre. Man hat nur die Kosten gescheut. („Die sind immens.“) Firmensprecher Christian Schwolo will nicht zugeben, daß Mannesmann hinterherhinkt, sondern stellt den Sinn der Unternehmung in Zweifel: „In der fahrenden U-Bahn ist es viel zu laut.“ Zudem, so Schwolo, sei es „eine Frage des guten Geschmacks“. Der Pressesprecher hat vermutlich die offen zutage getretenen Konflikte in bundesdeutschen Restaurants zwischen Handybesitzern und -nichtbesitzern im Hinterkopf. Denn, so wird bei seinen Ausführungen deutlich, der soziale Frieden im U-Bahn-Waggon ist bedroht! Der Walkman ist gefährlich genug. Nun bekommen die Fahrgäste aber den Mist anderer ungefiltert in voller (wenn nicht erhöhter) Phonzahl ab. Letztlich ist für Schwolo der Kunde König. Nur bleibt die Frage, welcher Kunde – der von Mannesmann, von E-plus oder von der BVG. Christoph Oellers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen