: Tugendfernsehen
■ Der Hüter der "Aktion Sorgenkind", Wim Thoelke, ist tot
Er war eigentlich immer so eine Art Gegenentwurf zu den Berufskollegen seiner Generation. Peter Frankenfelds kariertes Jackett wäre für ihn undenkbar gewesen. Wo Hans Rosenthal („Das ist Spitze!“) vor Freude über dem Parkett schwebte, trat Wim Thoelke fest auf. Wo sich Hans-Joachim Kuhlenkampff am liebsten Scherze mit seinen Mitspielern erlaubte, blickte Thoelke aufrecht zu den Kandidaten in den Kapseln herab und sagte: „Ri-si-kooo. Wieviel möchten Sie setzen?“ Dabei war er unter den „alten Hasen“ trotz all seiner Seriosität immer „das junge Küken“ gewesen. Es wird Wim Thoelke, Jahrgang 1927, geärgert haben, daß ausgerechnet dem sechs Jahre älteren Flaneur Hans-Joachim Kulenkampff der „Große Preis“ überantwortet wurde.
Zu diesem Zeitpunkt, 1992, machte dem Moderator mit dem „großen Herzen für die Aktion Sorgenkind“ das eigene Herz schon gehörig zu schaffen. Er wolle abtreten, bevor sein Publikum ihn nicht mehr sehen will, erklärte er seinen Rückzug vom Bildschirm. Als er dann wirklich gegangen war, haben ihn viele vermißt. Am Sonntag starb Wim Thoelke daheim in Wiesbaden an seinem schwachen, längst vom ZDF gebrochenen Herzen. Praktisch sein gesamtes Berufsleben hatte er von den Anfängen des ZDF an diesem Sender gewidmet. Zunächst moderierte der Jurist die Nachrichtensendung „heute“, dann wirkte er maßgeblich am Konzept des „Aktuellen Sportstudios“ mit und gehörte gemeinsam mit Harry Valerien und Rainer Günzler zu dessen ersten Moderatoren.
Als 1970 ein Nachfolger für Peter Frankenfelds „Vergißmeinnicht“ gesucht wurde, traf Wim Thoelke eine Entscheidung: Er schlug das Angebot aus, ZDF- Hauptabteilungsleiter zu werden, und stellte sich fortan nur noch vor die Kamera und „in den Dienst der guten Sache“. Zwanzig Jahre lang rührte er unermüdlich die Werbetrommel für die ZDF-Soziallotterie „Aktion Sorgenkind“, die ursprünglich mit Frankenfelds „Vergißmeinnicht“ angeschoben worden war und nun in Thoelkes fürsorgliche Hände fiel. Rund drei Milliarden Mark Reinerlös hat er in dieser Zeit für körperlich und geistig behinderte Kinder eingespielt, vier Jahre mit der Show „Drei mal neun“; dann, als die Mainzer 1974 ein italienisches Format namens „Risca tutto“ eingekauft hatten, mit dem legendären „Großen Preis.“
Wer ihn mochte, mochte an ihm vor allem, daß er so gar nichts Telegenes an sich hatte. Wie er da so hinter seinem Ratepult stand, hätte dieser Georg Heinrich Wilhelm Thoelke durchaus auch Realschullehrer für Geschichte und Erdkunde sein können. Was ihm seine Gegner als „hölzerne Art“ vorwarfen, schätzten seine Fans als „Uneitelkeit“ und „Seriosität“. Was Thoelke in diesen Jahrzehnten (er mußte nur eine einzige Sendung absagen) vermittelte, war beständiges Tugendfernsehen. Bei Big Wim war das Raten ein äußerst ernstes Spiel: „Wissen ist Macht“, lautete die Botschaft, „Ehrlich währt am längsten“ und „Ohne Fleiß kein Preis“.
Daß dieser Sound mit seinem Moderator altern mußte, war unumgänglich. Es war Wim Thoelke selbst, der seinen würdevollen Abschied für den 65. Geburtstag anbot. Das ZDF aber tat alles, um sein Erbe kurz und klein zu reformieren. Als Carolin Reiber 1993 den „Großen Preis“ endgültig beerdigte, war von Thoelkes Andenken kaum noch etwas übrig. Er hat sich gewehrt – mit einer Biographie und etlichen namenlosen (und letztlich haltlosen) Vorwürfen gegen Verantwortliche seines Senders. In einem Jahrzehnt, in dem Fernsehen für über Fünfzigjährige selbst beim ZDF als wenig lukratives „Kukident-TV“ gilt, ist es sehr schwer, in Würde zu altern. Klaudia Brunst
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