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Die Angeklagten klagen an: Folter

■ Prozeß gegen mutmaßliche ETA-Leute peinlich für Spanien

Madrid (taz) – Zwei Vertreter der US-amerikanischen Juristenvereinigung, Anwälte aus Belgien, Frankreich und Ecuador verfolgen ein gestern eröffnetes Verfahren gegen elf mutmaßliche Mitglieder der baskischen ETA. Die Berliner Strafverteidigerin Petra Schlagenhauf hatte im letzten Augenblick abgesagt. Keine Zeit wegen des Falles Ramos Vega, wußten ihre baskischen Kollegen zu berichten.

Gerade die Arbeit von Schlagenhauf aber hat nicht unerheblich zu dem ungewöhnlichen internationalen Interesse an Spaniens Verhörmethoden beigetragen. Das Berliner Kammergericht hatte Ende Oktober abgelehnt, den in seiner Heimat wegen Unterstützung der baskischen ETA angeklagten Benjamin Ramos Vega auszuliefern, bevor Madrid nicht ausdrücklich dessen körperliche Unversehrheit garantiere und sicherstelle, daß auch keine unter Folter erpreßten Aussagen gegen ihn verwendet würden.

Die elf Angeklagten, die jetzt vor Gericht stehen, wurden Anfang 1992 unter dem Vorwurf verhaftet, dem im Großraum Bilbao operierenden „Kommando Bizkaia“ der ETA anzugehören oder es unterstützt zu haben. Als Beweis gelten Geständnisse aus den polizeilichen Verhören – die die Angeklagten jedoch allesamt vor dem Untersuchungsrichter wiederriefen. Statt dessen erstatteten sie Anzeige wegen Folter, teilweise unter Berufung auf gerichtsmedizinische Gutachten.

Etwa der Gefangene Kepa Urra. Nach acht Stunden Verhör wurde er mit Herzrhythmusstörungen in das Polizeihospital verbracht. Trotz attestierter „völliger Abwesenheit, Verletzungen an Gesicht, Hals, Händen und Beinen“ wurden weder Angehörige noch ein eigens angereister Vertreter der Genfer Weltorganisation gegen Folter zu Urra vorgelassen. Er gab später an, man habe ihm eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt, bis er fast erstickt sei. Zugleich sei er geschlagen und mit Elektroschocks an Beinen und Genitalien mißhandelt worden.

Die anderen Gefangenen gaben ähnliches zu Protokoll. Für die beiden Frauen der Gruppe hatten sich die Beamten eine besondere Variante einfallen lassen. „Sie betatschten mich überall, dann drohten sie mir mit Vergewaltigung und führten mir den Lauf einer Pistole in die Vagina ein“, berichtet die Gefangene Itziar Ameraga.

Die Foltervorwürfe der elf hatten bereits 1993 für Aufsehen gesorgt. Belgiens Justiz berief sich auf die Aussagen des Kommandos Bizkaia und weigerte sich, zwei politische Flüchtlinge aus dem ETA- Umfeld auszuliefern. Als die Foltervorwürfe vor die UNO gelangten, lehnte die spanische Regierung jede Stellungnahme ab.

Richter Jimenez Alfaro sieht gelassen über die Vorwürfe hinweg. Der Antrag der Verteidigung, den Prozeß so lange auszusetzen, bis die Folterverfahren abgeschlossen seien, wurde abgelehnt – und die Staatsanwaltschaft fuhr fort, genau aus den umstrittenen Geständnissen zu referieren. Reiner Wandler

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