: Kleine Einführung in die Namenskunde Von Martin Sonneborn
Namen! Schall und Rauch! Und auch wenn noch so viele Psychologen behaupten, der eigene Name sei die Lautfolge, die man am liebsten höre: Nach allen Fingern an vier ausgewachsenen Männerhänden zähle ich diejenigen, die ich erbleichen sah, wenn im Mathe-Unterricht ihr Vorname fiel, ihr Nachname im Latein-Leistungskurs schlagartig dem Bereich des Lautlosen entrissen wurde! Bzw. sind's nicht doch gänzlich anderweitige Lautkombinationen, die wir mitunter viel lieber anhörten?! Von „Mögen sie noch ein paar Murphy's umsonst, der Wirt hat viel zu viel Bier eingekauft und schafft's heut' nicht alleine ...“ bis zu „Oh nein, ich habe Marcel Reif überfahren!“
Vielleicht. Vielleicht auch nicht: Mein Gott! Wieviel Mühe, wieviel heroischen Einsatz, wieviel uneingeschränktes Engagement und sinnloses Durchhaltevermögen muß es doch gekostet haben, bis Dr. Petra Boang-Bongo-Brummer Dr. Petra Boang-Bongo-Brummer hieß! Schlußendlich hat es sich ja gelohnt, und das ist nicht nur die Meinung des Humorkritikers Hans Mentz, der diese fulminante Namensballung in Tübingen dingfest machte. Obwohl: Ich könnt' schwören, ein Karl Bummerang oder Fred Brummkreisel würde von der Dame auf der Stelle weg geehelicht, sobald er nur Tübinger Stadtgebiet beträte. Schon, um die lokale Konkurrenz in Form von Frau Dr. Trauzettel-Klosinski auf Distanz zu halten, die bestimmt schon wieder um das Standesamt zu schleichen beginnt.
Und nun zu etwas ganz anderem: Vor kurzem traf ich auf dem Frankfurter Hauptbahnhof den Zeichner Rattelschneck. Während wir auf den Zug nach Berlin warteten, zeichnete er schnell noch zwei Männer, die im Vorübergehen einem dritten begegneten. Dabei sagt der eine zum anderen: „He, das ist doch Dingsda aus der Alzheimergruppe!“ Ein, wie ich finde, gelungenes Beispiel für einen schönen Witz auf Kosten einer Randgruppe, die darunter nicht lange zu leiden hat, weil sie derartige Ungezogenheiten ja schnell wieder vergißt. Später, im Speisewagen, hörten wir dann folgende Lautsprecherdurchsage: „Mister Jack Grooms aus Amerika, bitte kommen sie sofort zum Wagen eins!“ Der Satz war nicht ohne, Amerika ist schließlich groß, und ich fand, Rattelschnecks Witz würde auch mit der Sprechblase „He, das ist doch Jack Grooms aus Amerika!“ funktionieren. Tja, so unterschiedlich ist das Humorverständnis der Menschen.
Noch ein paar Biere später überlegten wir uns dann, warum Jack Grooms wohl in Wagen eins kommen sollte. Richtige Sorgen hätten wir uns aber nur gemacht, wenn statt des Amerikaners ein Mechaniker gerufen worden wäre. Oder jemand, der sich mit Lokomotiven und Zugfahren auskennt. Bzw. wenn es geheißen hätte: „Ist irgend jemand an Bord, der die Maschine landen kann?“ Zum Glück blieb es aber bei Jack Grooms, und so vermuteten wir, daß in Wagen eins lediglich der Gesprächsstoff ausgegangen war, und daß Jack Grooms von der Bahn dafür bezahlt wird, in solchen Fällen ein paar verdammt gute Geschichten parat zu haben. Wenn die Bahn klug wäre, würde sie die angehende Frau Dr. Petra Boang-Bongo-Brummer-Bummerang für diesen Job gewinnen. Für den Gesprächsstoff in Wagen eins müßte es doch eigentlich schon reichen, sie auszurufen.
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