Wehrmachtsjustiz ist bei der CDU hoch im Ansehen

■ Bei einer Bundestags-Anhörung erkannten Experten der CDU in der NS- Militärjustiz Organe der Rechtspflege, für Betroffene eine absurde Vorstellung

Bonn (taz) – Für die anwesenden Opfer der NS-Militärjustiz waren die Ausführungen des ehemaligen Nazi-Militärrichters Otfried Keller kaum zu ertragen: Kriegsrichter seien ein „echtes Organ der Rechtspflege“ gewesen, die Verfahren vor den Kriegsgerichten hätten sich für die Angeklagten „segensreich ausgewirkt“ und hätten deren „Bedürfnissen besonders Rechnung getragen“. Diese Beschreibung der damals geltenden Gesetzgebung war in der gestern begonnenen Anhörung des Bundestags zur NS-Militärjustiz zu hören.

„Das kann ich als Betroffener nicht ertragen, dann gehe ich raus“, rief Ludwig Baumann von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz dem Ausschußvorsitzenden Horst Eylmann zu. Erst eine Stunde vorher hatte Baumann an die mehr als 30.000 von NS-Militärgerichten gefällten Todesurteile und an die mehr als 100.000 Eingekerkerten erinnert.

Unerträglich fanden Kellers Äußerungen aber nicht nur die Betroffenen. Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Christa Nickels war fassungslos: „Da ging es um Massenverurteilungen.“ Ihr CDU-Kollege Norbert Geis hingegen hielt es für nötig, ihr vorzuwerfen: „Sie vertragen die Wahrheit nicht.“ Geis ist dafür verantwortlich, daß neben Keller noch drei Sachverständige zu der Anhörung geladen wurden, die das Wirken der NS-Militärjustiz verharmlosen.

Anders als Keller wies der Experte Heinz Düx Äußerungen, wonach bei der NS-Militärjustiz teilweise noch Rechtsstaatlichkeit geherrscht habe, als „absurd“ zurück. Nicht nur eine Entschädigung, sondern auch die volle Rehabilitierung aller Opfer, von denen viele heute noch wegen ihres damaligen „Vergehens“ vorbestraft sind, forderte die Sachverständigen Otto Gritschneder, Rechtsanwalt in München, und Professor Manfred Messerschmidt, der seit Jahren über NS-Militärjustiz forscht. Gritschneder wies daraufhin, daß die Opfer heute immer noch um Rehabilitierung und Entschädigung kämpfen müßten, während „die, die mitgemacht haben, Rente beziehen“. Eine von dem Sachveständigen Franz W. Seidler vorgeschlagene Einzelfallprüfung lehnt Gritschneder ab: „Das ist eine überflüssige Bremse.“ Das Bundessozialgericht habe schon gesagt, daß der Staat beweisen müsse, daß die Unrechtsvermutung für die Opfer nicht zutreffe. Karin Nink