Investoren, hört die Signale!

20 Jahre nach der sozialistischen Revolution geht Laos den kapitalistischen Weg seiner Nachbarländer. Die Macht der Partei bleibt unangetastet  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – „Wir sind noch auf dem Weg des Sozialismus. Uns gibt es nicht trotz der Partei, sondern wegen der Partei.“ Trotzig würdigte Außenminister Somsavat Lengsavath am Samstag den 20. Geburtstag der Demokratischen Volksrepublik Laos. In den nächsten Wochen werden aus Anlaß des Jubiläums in dem südostasiatischen Land 150 Bronze- und Marmorbüsten des verstorbenen Staats- und Parteichefs Kaysone Phomvihan aufgestellt – eine Gabe aus Nordkorea. Aus der eigenen Kasse hätte die laotische Führung die Personenkultutensilien nur schwer bezahlen können. Wegen der Schwäche der laotischen Währung „Kip“ wurde vor drei Wochen der Chef der Zentralbank entlassen. Die für den Jahrestag der Revolution geplante große Militärparade wurde abgesagt. Beobachter in der Hauptstadt Vientiane munkeln, der Militäraufmarsch sei den Machthabern zu teuer geworden.

Entgegen den Beteuerungen des Außenministers ist Laos seit Mitte der achtziger Jahre auf dem Weg in Richtung Kapitalismus. Zunächst zögerlich, gewannen die Wirtschaftsreformen und die Öffnung des Landes mit dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa an Schwung. Der neue Kurs wird von internationalen Finanzinstitutionen und westlichen Regierungen unterstützt.

Doch die „Chintanakan Mai“ (Neues Denken) genannte laotische Reformpolitik ist wie Perestroika ohne Glasnost. Wer die Einparteienherrschaft in Frage stellt, wird bestraft.

Laos ist eines der ärmsten Länder Asiens. 80 Prozent der 4,5 Millionen EinwohnerInnen leben von der Landwirtschaft. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt umgerechnet 250 US-Dollar, die durchschnittliche Lebenserwartung 50 Jahre. Das gebirgige Land ist reich an natürlichen Ressourcen, eine Infrastruktur ist jedoch kaum vorhanden. Heute untersteht das Land einem Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds und hängt am Tropf westlicher Entwicklungshilfe. Sie macht 20 Prozent des Bruttosozialproduktes aus. Bei wachsender Staatsverschuldung ist die Wirtschaft seit 1989 um jährlich sieben Prozent gewachsen.

„Es wurde Zeit, unser Land zu öffnen. Aber die Öffnung geht zu schnell, es gibt zu viele Freiheiten für die Investoren“, meint ein früherer Beamter aus Vientiane. Die Investoren pickten sich die Rosinen raus, während Laos die Kosten zu tragen habe. Zum Symbol für die Öffnung wurde die 1994 eingeweihte erste Brücke über den Mekong nach Thailand. „In den Städten ist das Warenangebot größer geworden. Es gibt mehr Autos, mehr Motorräder, mehr neue Häuser und deutlichere Klassenunterschiede“, meint ein Bewohner Vientianes. Auf dem Land machen sich die Reformen kaum bemerkbar.

Nach der Revolution wurden bis zu 40.000 LaotInnen in „Umerziehungslager“ gesteckt. Ein Zehntel der Bevölkerung floh aus dem Land. Dabei handelte es sich zum Großteil um die Elite und die Minderheit der Hmongs. Letztere hatten während des Bürgerkriegs für Waffenlieferungen und die Abnahme ihres Opiums durch die CIA gegen die kommunistische Guerilla der „Pathet Lao“ (Land der Lao) gekämpft.

Die USA hatten immer stärker in den laotischen Bürgerkrieg eingegriffen. Um einen Sieg der „Pathet Lao“ zu verhindern, begann die US-Luftwaffe mit massiven Bombardierungen. Bis 1973 warfen die USA auf Laos über zwei Millionen Tonnen Bomben ab. Mit einer halben Tonne pro Einwohner wurde Laos zum meistbombardierten Land der Welt.

Nach 1975 kamen vietnamesische Soldaten und „Berater“ nach Laos. Das Land wurde zum Anhängsel Vietnams, konnte sich in den achtziger Jahren aber zunehmend lösen. Heute versucht die laotische Regierung, die Eigenständigkeit zu sichern und die Einflüsse der Nachbarn auszubalancieren. Thailand dominiert den Außenhandel, China ist wichtigster Waffenlieferant und Vietnam genießt ideologisch die größte Nähe.

„Laos hat eines der liberalsten Investitionsgesetze in der Region“, lobt ein westlicher Diplomat. 900 Millionen US-Dollar haben Ausländer bis Mitte 1994 investiert. Für 22 Großstaudämme wurden Vorverträge unterzeichnet. Umweltschützer befürchten eine ökologische Katastrophe.

Das Komitee für Kooperation und Planung (CPC) verwaltet ausländische Investitionen, Hilfsgelder und Kredite. Das Komitee spielt im Reformprozeß als „Regierung in der Regierung“ die Schlüsselrolle. „Das CPC hat eine Vorliebe für Großprojekte. Mit Hilfe westlicher Berater fällt es zentralistische Entscheidungen, ohne die Betroffenen vor Ort zu konsultieren“, kritisiert ein Entwicklungshelfer. „Hier hat es nie eine Diskussion über Staudämme gegeben“, sagt der frühere Beamte. Es gibt keine Plattform, auf der politische Bedenken geäußert werden können. Unabhängige Organisationen sind nicht erlaubt. Es gibt keine Kontrollinstanzen. Vom sechsten Parteitag, der im Februar stattfinden soll, werden eine Verjüngung der Führungsspitze, aber kaum demokratische Reformen erwartet.