Vergangenheitsbewältigung in Südkorea

■ Expräsident Chun Doo Hwan soll sich für Massaker vor Gericht verantworten

Tokio/Seoul (taz) – In einer Großaktion mit tausend Beamten hat die südkoreanische Polizei in Seoul den ehemaligen Staatspräsidenten Chun Doo Hwan verhaftet. Chun hatte das Land nach einem Militärputsch im Jahre 1979 bis 1988 mit uneingeschränkter Macht regiert. Fast jede der unzähligen Studentendemonstrationen, die Südkorea vor acht Jahren die Demokratie brachten, hatte sich gegen ihn und seine ungesühnte Verantwortung für Mord und Folter an politisch Andersdenkenden gewandt. Nun soll Chun sich unter anderem für das Massaker von Kwangju im Mai 1980 verantworten, als die Armee hunderttausend Demonstranten mit Panzern und Maschinengewehren in die Enge trieb und vermutlich zweitausend Menschen erschoß. Nach der Verabschiedung eines Sondergesetzes droht ihm die Todesstrafe.

Chun zeigte sich noch in den letzten Stunden seiner Freiheit als jener bittere General, den die Südkoreaner einst hassen gelernt hatten. Am Samstag verweigerte er der Staatsanwaltschaft jede Auskunft und klagte den amtierenden Präsidenten Kim Yung Sam öffentlich an, in ihm einen Sündenbock für einen Korruptionsskandal zu suchen, der seit Wochen die südkoreanische Politik faktisch lahmlegt. Damit hat Chun nicht unrecht. Vor zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft bereits einen anderen Expräsidenten – Chuns Nachfolger Roh Tae Woo – verhaftet, weil dieser sich während seiner Amtszeit aus einem illegalen Geheimfonds in Höhe von einer Milliarde Mark bedient hatte. Rohs Gelder aber könnten laut Medienberichten auch Präsident Kim Yung Sam zugeflossen sein, der sich in seiner Wahlkampagne 1992 mit Roh verbündet hatte. Die Ermittler hatten Haftbefehl gegen Chun gefordert, nachdem sie Roh vernommen hatten. Georg Blume Seite 11