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Altenwerder darf weiterleben

■ Hafenerweiterung vorläufig gestoppt: Sofortvollzug wurde gestern außer Kraft gesetzt / Verwaltungsgericht rüffelt Wirtschaftsbehörde Von Heike Haarhoff

Die Rettung für Altenwerder kam um fünf vor zwölf: Gestern mittag verhängte das Verwaltungsgericht Hamburg einen vorläufigen Baustopp für die Hafenerweiterung in Altenwerder. Auf der Elbinsel darf kein Grashalm gekrümmt werden, solange nicht geklärt ist, ob der von der Hamburger Wirtschaftsbehörde am 30. Mai angeordnete „Sofortvollzug“ des Planfeststellungsbeschlusses überhaupt rechtmäßig ist, beschloß das Gericht. Und diese Prüfung könne sich angesichts „des umfangreichen Aktenmaterials“ und „der Fülle schwieriger Fragen“ noch über Monate hinziehen, verkündete Gerichtssprecher Joachim Pradel zum Entsetzen der Wirtschaftsbehörde und zum Jubel der Hafenerweiterungs-GegnerInnen.

Die Dramaturgie des Vorsitzenden Richters Ullrich hätte nicht spannender sein können: Denn gestern nachmittag wollte das Amt für Strom- und Hafenbau in der Wirtschaftsbehörde mit Baggern und Sägen dem wertvollen Biotop zu Leibe rücken, Bäume roden und Sand aufschütten. Doch zu diesen sogenannten „vorbereitenden Maßnahmen zur Hafenerweiterung“ wird es vorerst nicht kommen, auch die bereits begonnene Demontage des Friedhofs muß ausgesetzt werden.

Die Verwaltungsrichter begründen ihren Beschluß damit, daß sie derzeit nicht über die nötigen Sachkenntnisse verfügen, um beurteilen zu können, ob die von Strom- und Hafenbau vorgesehenen Aufschüttungs- und Deichbauarbeiten tatsächlich – wie von der Wirtschaftsbehörde beteuert – vollständig rückgängig gemacht werden könnten, sollten die Klagen letztendlich Erfolg haben. Es könne aber nicht zugelassen werden, daß „vollendete Tatsachen geschaffen werden, die sich nicht mehr korrigieren lassen“ und somit „den Rechtsschutz der Kläger vereiteln.“

Mit dem „Sofortvollzug“ des Planfeststellungsbeschlusses hatte die Wirtschaftsbehörde sich die rechtliche Möglichkeit verschaffen wollen, mit den Bauarbeiten in Altenwerder anzufangen, bevor das Gericht über die Klagen entschieden hat. Dagegen gingen drei der KlägerInnen vors Gericht: „Wenn der Boden in Altenwerder verdichtet wird, hat das Auswirkungen auf die Grundwasserverhältnisse, die nicht mehr rückgängig zu machen sind“, erklärt Anwalt Martin Hack die Position seiner MandantInnen; mindestens 1,5 Hektar wertvollster Biotopfläche würden auf diese Weise unwiderruflich zerstört.

Die Wirtschaftsbehörde wollte noch in diesem Jahr vor Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist Bäume roden, weil sich die Hafenerweiterung sonst um mindestens ein Jahr verzögere. Die „Millionenverluste“, die Hamburg damit ins Haus stünden, ließ sich die Behörde in einem Gutachten der Essener Consulting-Firma Planco herschreiben. Von diesen eigens inszenierten Horrorszenarien wollte Wirtschafts-Staatsrat Heinz Giszas gestern nichts mehr wissen. Gegenüber der taz erklärte er, die „Verschiebung der Maßnahmen“ sei ein „reiner Zeitverlust“. Der Gerichtsbeschluß habe „keinen Präjudizcharakter“; ob seine Behörde gegen den Gerichtsentscheid Beschwerde einlegen werde, ließ er aber noch offen.

Ungeklärt bleibt weiterhin, wie die Hafenerweiterung überhaupt finanziert werden soll: Giszas behauptete gestern, ein Finanzierungskonzept vorgelegt zu haben. Mit Details herausrücken wollte er indessen nicht. Vielleicht bleibt ihm das auch erspart: Weil Altenwerder gar nicht Container-Terminal wird.

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