: Strieder fordert von SPD Ehrlichkeit
■ Der als Senator gehandelte Kreuzberger SPD-Bürgermeister Strieder will Großprojekte strecken, Personal abbauen, die Gewerbesteuer erhöhen und Senatsmitgliedern neue Bescheidenheit verordnen
Zu einschneidenden Maßnahmen bei der Konsolidierung des Haushalts hat der Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder (SPD) seine Partei aufgefordert. In einem Strategiepapier für den Landesausschuß schlägt der SPD- Linke eine Überprüfung von Leistungsgesetzen, den Abbau von Investitionen und Personaleinsparungen „in allen Bereichen“ vor. Einzige Ausnahme will Strieder, der als Senator im Gespräch ist, bei den Investitionen für Schulen und Universitäten machen. Bildung und Ausbildung seien Investitionen in die Zukunft und hätten Vorrang vor „extravaganten Kindergärten, Schulen und Sozialeinrichtungen“. Alles andere stünde „auf dem Prüfstand“. Kritik äußerte Strieder an der bisherigen Linie der SPD. Sie habe in der Vergangenheit „nicht die Kraft und den Mut gefunden, die Haushaltssituation offen zu thematisieren“. Das Papier, vor dem Landesparteitag am 15. Dezember in die Debatte geworfen, sollte gestern im Landesauschuß diskutiert werden. Deren Sitzung dauerte bei Redaktionschluß noch an.
Bei der Reduzierung der derzeit 177.000 Landesbediensteten warnt Strieder vor allzugroßen Erwartungen. Nur die Hälfte der jährlich rund 5.100 freiwerdenden Stellen könnten eingespart werden. Jährlich könnten nur bis zu 4.000 Stellen gestrichen werden, was bis 1999 Einsparungen von 2,6 Millarden Mark erbringen würde. Bis 1997 müßten nach Strieders Berechnungen aber knapp 14 Milliarden Mark gespart werden. Der Rest müsse aus dem konsumtiven und investiven Bereich erbracht werden. Um ein Signal zu setzen, will er die Politiker in die Pflicht nehmen. Daher sollten die Senatsmitglieder über die Stadträte bis hin zu den Abgeordneten in dieser Legislaturperiode auf Einkommenserhöhungen verzichten. Bei höheren Besoldungsgruppen schlägt Strieder ebenfalls Lohnverzicht vor – Voraussetzung seien allerdings Gespräche mit den Gewerkschaften, mit denen zugleich über ein „Bündnis für Arbeitsplätze“ verhandelt werden soll. Um die durch den Stellenabbau zu erwartende Belastung des Arbeitsmarkts zu vermeiden, sollten über Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, attraktivere Teilzeitmodelle und Anreize für den beruflichen Ein- und Austieg forciert werden.
Wenn Leistungen für Bürger eingeschränkt werden, müssen nach Ansicht des SPD-Linken auch Großprojekte wie die U 5 und der Tiergarten-Tunnel „erheblich“ gestreckt werden. Bei einem Investitionsvolumen der Privatwirtschaft von rund 30 Milliarden Mark im kommenden Jahr hält Strieder zugleich eine Senkung der öffentlichen Investitionen um rund eine Milliarde für vertretbar. Auch die Wirtschaft will Strieder nicht ungeschoren davonkommen lassen. Berlin solle die Gewerbesteuer auf das Niveau anderer Großstädte anheben. Damit will Strieder einem möglichen Steuerausfall durch Bonn zuvorkommen. Nach Überlegungen der Bundesregierung sollen die Gewerbesteuer abgeschafft und die Kommunen ersatzweise an der Umsatzsteuer beteiligt werden. Als Ausgleich würden die Kommunen dann einen Anteil in Höhe der letzten Gewerbesteuer erhalten. Gleichzeitig sollten Betriebe, die keine Ausbildungsplätze bereitstellen, mit einer Strafabgabe belegt werden. Severin Weiland
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