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Vollständige Nato-Integration?

■ Die Ernennung von Außenminister Javier Solana zum Nato-Generalsekretär reißt in Spanien alte Gräben wieder auf

Madrid (taz) – Alte Wunden brechen wieder auf: Seit feststeht, daß Spaniens Außenminister Javier Solana neuer Nato-Generalsekretär wird, geht die Debatte um Spaniens Nato-Mitgliedschaft wieder von vorne los.

Kein Land tat sich so schwer mit seinem Nato-Beitritt wie Spanien in den Achtzigern. Als die Zentrumsregierung unter González- Vorgänger Leopoldo Calvo Sotelo am 30. Mai 1982 den Beitritt Spaniens als 16. Land zur Allianz besiegelte, lief die gesamte Linke dagegen Sturm – unter ihnen die späteren sozialistischen Regierungsmitglieder, allen voran der Mann, der heute offiziell zum Nato-Generalsekretär berufen wird, Javier Solana. Mit einem „Raus aus der Nato“ gewann die Mannschaft von Felipe González nur ein halbes Jahr später die Wahlen.

An der Macht waren die Forderungen schnell vergessen. Die Regierungsmehrheit im Parlament stimmte 1984 einen Nato-Austritt nieder. Als „Preis für die EG-Integration“ verkauften die Sozialisten ihren überraschenden Meinungsumschwung, der zu einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit der Friedensbewegung führte und zur Volksabstimmung 1986. Felipe González selbst bat am Vorabend der Abstimmung mit tieferschütterter Stimme, die Modernisierung nicht durch ein Nein zur Nato aufs Spiel zu setzen. Es half. Mit 52,5 Prozent ging das Referendum zu seinen Gunsten aus. Ein Versprechen war allerdings dazu nötig. „Die Teilnahme Spaniens an der Atlantischen Allianz schließt die vollständige Integration in die militärischen Strukturen nicht mit ein“, stand auf den Wahlzetteln.

Aber „faktisch sind wir bereits Mitglied in den militärischen Strukturen“, wirft Carlos Carnero, der außenpolitische Sprecher der linken Oppositionspartei IU, der Regierung vor. Als Beweis dienen ihm die Lufteinsätze in Bosnien, an denen sich die spanischen F-18, vom Luftwaffenstützpunkt Aviano in Italien aus, beteiligten.

Jetzt fordert das linke Wahlbündnis den vollständigen Abzug der spanischen Truppen aus dem Gebiet um Mostar in Zentralbosnien. Nach dem Abkommen von Dayton, so argumentiert die IU, habe sich die Lage grundsätzlich geändert. Aus einem Friedenseinsatz der 2.400 spanischen Soldaten unter Leitung der UNO sei über Nacht eine militärische Aktion der Nato geworden. Und daran dürfe Spanien auf gar keinen Fall teilnehmen. Reiner Wandler

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