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Bildungsurlaub in Bitterfeld

Sachsen-Anhalt sucht neues Weltausstellungskonzept. „Nachhaltige Entwicklung“ läßt sich nicht an Großprojekten zeigen  ■ Aus Berlin Annette Jensen

Das klassische Modell einer Weltausstellung, bei der Eifeltürme und andere technische Neuheiten vorgeführt werden, hat ausgedient. Es gehört ins Industriezeitalter. In Bitterfeld, Symbol der Grenzen eben dieser Ära, sucht man jetzt zukunftsweisendere Wege. Die ganze Region soll ausgestellt werden, heißt es im Grundsatzpapier zur Expo 2000 für den Korrespondenzstandort Sachsen-Anhalt. Denn „nachhaltige Entwicklung“ lasse sich eben nicht an einzelnen Exponaten zeigen, sondern müsse auch Menschen und Natur mit einbeziehen. „Wie eine transparente Chemieproduktion aussehen kann, wissen wir selbst noch nicht. Es ist ja etwas ganz Neues“, räumt Gerhard Seltmann von der Expo Sachsen-Anhalt GmbH ein, der die 16 Projekte in der Expo-Korrespondenzregion Bitterfeld-Dessau-Wittenberg gestern vorstellte. Auf jeden Fall soll eine Debatte über Nutzen und Schaden der Chemieindustrie stattfinden. „Sachsen-Anhalt wird schließlich eine Industrieregion bleiben“, versichert Heidrun Heidecke, Umweltministerin in Magdeburg. Deshalb werden die Gelder aus Bonn, die für den Abriß des Kraftwerks Torbogenstraße in Bitterfeld vorgesehen waren, in die Erhaltung dieser gigantischen 20er-Jahre-Architektur gesteckt. „Man muß vermeiden, daß die Region zu viel Abräumunternehmen anzieht und daraus eine neue und kurzlebige technologische Monostruktur entsteht“, heißt es zur Begründung.

In der Torbogenstraße soll nicht nur an die vielen Erfindungen im Chemiedreieck vom PVC bis zum ersten Farbfilm erinnert werden. Dokumente über die ökologischen Schäden werden dort genauso Platz finden wie die gefühlsmäßigen Bindungen der Chemiearbeiter an ihren einstigen Alltag. Vor allem aber soll am großen Tisch diskutiert werden: Industrievertreter und Umweltschützer, Gewerkschafter, Theologen und Künstler werden nach Vorstellung der Expo-Leitung eine gemeinsame Zukunft zimmern. Zum Erstaunen vieler Westdeutscher gibt es dazu offenbar von allen Seiten Bereitschaft. Auch Umweltgruppen aus der Region bestätigen, daß sie am Expo-Ost-Konzept erst einmal nichts auszusetzen hätten. Und Heidecke versichert, daß der Großinvestor Dow „offener und unkomplizierter mit Kritikern umgehen kann, als man denkt.“ Allerdings sind umstrittene Projekte auch aus dem Konzept gestrichen worden, ohne daß sie deshalb tatsächlich nicht gebaut werden.

Müllverbrennungsanlage ohne Expo-Weihen

Ursprünglich sollte auch die Müllverbrennungsanlage Zschornewitz Expo-Exponat werden, wogegen Ökogruppen heftig protestierten. Aufgenommen wurde hingegen das flachgehende Binnenschiff, das in Roßlau aus voll recycelfähigem Material gebaut wird. Mit ihm können Güter die Elbe hinauf- und hinuntertransportiert werden, ohne daß der Fluß ausgebaut werden muß. Und auch die Kooperation von Biobauern mit einer Käserei, Bäckerei, Brauerei sowie einer Kneipe und einem Laden können die BesucherInnen der Region demnächst in Wörlitz besichtigen.

„Wir wollen nichts für die Ausstellung bauen. Aber das, was wir bauen, soll ausgestellt werden“, faßt Seltmann das Konzept der zusammen. Die Vergangenheit dürfe dabei nicht ausradiert werden. So wollen die Expo-MacherInnen die Braunkohlegruben nicht einfach fluten und dadurch eine sterile Landschaft schaffen. Statt dessen soll im Braunkohlenloch Golpa- Nord die Museumsstadt „Ferropolis“ entstehen, wo sich künftig Diskussionsrunden im Braunkohlebagger treffen oder Rockgruppen auftreten können. „Der Stolz der Bergleute und die Zerstörung der Landschaft – beides bleibt sichtbar“, so Seltmann.

Finanziert wird die Expo in Sachsen-Anhalt ohne einen Sonderfonds im Landeshaushalt. Außer den üblichen EU-, Bundes- und Landesfördermitteln sollen sich auch Privatinvestoren beteiligen. „Wenn die Kassen leer sind, ist Phantasie gefragt“, meint Heidecke optimistisch. Es sei jedenfalls nicht sinnvoll, punktuell eine teure Technik zu entwickeln, die schon aus Kostengründen nicht woanders nachgebaut werden könne.

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