: Eine unendliche Geschichte
■ Vor mir...hinter mir...links...rechts...gilt's nicht: Roseanne ist "Roseanne" - und ab heute ist die rigorose Selbstdarstellerin auch wieder in 24 Folgen bei Pro7 zu sehen (18.55 Uhr) Von Ulrike Kowalsky
Von Ulrike Kowalsky
Als Roseanne Thomas (ehemals Arnold, ehemals Barr) letztes Jahr den MTV-Award moderierte, kam sie mit einem bis zum Platzen engen Kostümchen auf die Bühne und meinte: „Ich bin nicht nur die Älteste, sondern wahrscheinlich auch die Dickste, die jemals diese Preisverleihung präsentierte. Und falls Sie wissen wollen, wie ich mich nach der Scheidung fühle, so kann ich nur sagen, ich wäre lieber Witwe.“ Es ist ein angloamerikanisches Phänomen, sich dermaßen durch Selbstironie und trockenen Humor zu entblößen, gleichzeitig aber alle Lacher für sich zu gewinnen. Nichts ist amüsanter und aufregender, als Tratsch durch Tratsch zu besiegen.
Kürzlich ging damit sogar Lady Di in die Offensive, doch bei ihr wirkte es wie eine letzte Versuchung. Bei Roseanne ist es Profession. Ein solch bösartiger Schlenker, seinem Exgemahl den Tod zu wünschen, würde hierzulande wahrscheinlich einem Berufsverbot gleichkommen: menschenverachtend! Unser Humor beschränkt sich aufs Kabarett, und das hat es schon schwer genug, ganz besonders im Fernsehen.
Roseanne ist als stand-up-comedien durch die Lande getingelt, bevor sie 1988 ihre Chance zur gleichnamigen Familienshow bekam. Schon nach wenigen Folgen stieg „Roseanne“ in die TV-Charts auf: Arme, weiße Asoziale, wie sich Roseanne und Dan (John Goodman) in einer kleinen Tanzeinlage persiflieren, das gab es in dieser Direktheit noch nicht und ist immer noch einmalig. Die Connors sind eine Familie mit drei Kindern, die sich mit Jobs durchschlägt und oftmals von Sozialhilfe lebt und deren Familienvorstand mit Mutterwitz ihre Kinder zum Teufel wünscht. Im Gegensatz zu „Eine schrecklich nette Familie“ handelt es sich dabei aber nicht um Trash, sondern jedes Thema – Arbeitslosigkeit, Schwiegereltern, Mißhandlung oder Psychoanalyse – wird so humorvoll niedergemacht, daß „Roseanne“ auch als aktive Lebenshilfe durchgehen kann. Roseanne bewirkt durch ihre rigorose Selbstdarstellung simples Selbstbewußtsein. Nach ihrer Brustreduzierung weist sie Dan profan darauf hin: „Die sitzen jetzt weiter oben!“
Beim Kabelkanal lief die erste synchronisierte Staffel, bevor der größere Bruder Pro7 sich „Roseanne“ schnappte und seit Juni 93 mindestens einmal pro Jahr vollständig abspult. Die erstklassige Serie um die Connor-Familie wird sehr sorgsam, ja beinahe liebevoll von Hartmut Neugebauer übersetzt. So hervorragend, daß man niemals an den schnellen Dialogen zweifelt. Was den Sender keineswegs davon abhält, „Roseanne“ zu verhackstücken. Die Programmmacher von Pro7 sind leider so beschränkt, daß sie die Schlußpointe meistens wegschneiden. Denn beim Original laufen zwischen dem Abspann jeweils Szenen, die beim Drehen mißglückt sind, oder so wunderbare Einlagen wie die von John Goodman, der aus lauter Übermut und wahrscheinlich im Stegreif einen Rap hinlegt, der singlereif ist; oder Interviews mit Gästen wie Sandra Bernhard oder herzerfrischende Gifteleien des Ehepaars Tom und Roseanne Arnold. Also all das, weswegen Roseanne in den USA auch berühmt wurde und ist. Ihre Querelen mit dem Sender ABC um den Mitautor Matt Williams (Cosby Show, „Wer ist der Boß“), das herausfordernde Cover-Bild von Vanity Fair, das sie breitbeinig im Korsett zeigt, unzählige Beleidigungen – und schließlich auch ihre Gastrolle in dem Film „Blue in the Face“ von Wayne Wang und Paul Auster, in der sie statt John Goodman diesmal Harvey Keitel zu überreden versucht, mir ihr nach Las Vegas abzuhauen.
Roseanne, eine unendliche Geschichte: „I came to Hollywood to take over, to claim TV as the new preserve of woman.“ Sogar hier scheint es Roseanne wenigstens teilweise zu gelingen. Pro7 zeigt ab heute eine kleine 24teilige Best-of- Reihe, wenn auch wahrscheinlich nur als Pausenfüller, aber immer noch besser als so Krautwickerl wie Uschi Glas.
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