: Bundeswehr im Kampfeinsatz
■ Es gibt gute Gründe gegen deutsche Bosnien-Mission
Die Alternative ist Dayton oder Krieg. Wer zum Friedensvertrag von Dayton ja sagt, muß auch zur Absicherung des Friedensprozesses und damit auch zum Einsatz der Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina ja sagen. Wer will schon den Krieg, wer will ernsthaft die geschundenen Menschen in Bosnien noch einmal dem Risiko aussetzen, daß die warlords weiter morden lassen, daß der höchst unsichere Friedensvertrag zunichte gemacht wird, bevor er den Frieden bringen konnte? Also ja zum Dayton-Abkommen und damit auch ja zu diesem Einsatz der Bundeswehr?
Der Automatismus, der gestern von der Mehrheit des Bundestages suggeriert wurde, existiert in Wahrheit nur scheinbar. Der Friedensvertrag von Dayton erfordert zwar eine Absicherung, die Art und Weise, wie diese erfolgt, ist aber alles andere als automatisch klar. Was im Bundestag als Automatismus verkauft wurde, war eine klare politische Entscheidung der USA. Wenn US-Soldaten nach Bosnien gehen, dann nur unter amerikanischem Kommando im Rahmen der Nato. Damit war die UNO draußen. Die Vereinten Nationen werden zu einer Mandatserteilungsagentur degradiert, ohne Einfluß darauf nehmen zu können, wie dieser Einsatz in ihrem Namen geführt wird. Das hatten wir schon einmal – im Golfkrieg.
Auch die Art des Einsatzes der Bundeswehr ist noch einmal klarzustellen. In der gestrigen Debatte hat Verteidigungsminister Rühe (CDU) deutlich gemacht, daß es rechtlich um einen „friedenserzwingenden Einsatz“ nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen geht. Das heißt, es steht ein Kampfeinsatz bevor. Was hat die Bundesregierung dazu gezwungen, einerseits zu betonen, man werde die Bundeswehr nicht zwischen die Linien stellen, also nicht kämpfen lassen, und dennoch davon abgehalten, ihre eigenen Truppen auf reine Blauhelmaufgaben zu beschränken? Wer diese Fragen für nebensächlich hält, übersieht, daß damit eine grundsätzliche Entscheidung gegen die Vereinten Nationen getroffen wurde, die weit über den Bosnien- Einsatz hinaus wirken wird. Das hat eine knappe Mehrheit der Grünen- Fraktion zu Recht bewogen, gegen den Einsatz in dieser Form zu stimmen. Die Gründe der Minderheit um Fraktionschef Joschka Fischer, für diesen Einsatz zu votieren, sind aber so substantiell, daß die Partei keinen Grund hat aufzuschreien. Wenn es tatsächlich einmal um eine Gewissensentscheidung ging – gestern war das sicher der Fall. Jürgen Gottschlich
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