: „Wer die Bösen sind, steht schon fest“
■ betr.: „Prenzlauer Berg wird rot- grün“, taz vom 2./3. 12. 95, „Gegen eigene Ziele“ (Verkehrte Welt in Prenzlauer Berg), „In drei Wahl gängen gescheitert“, taz vom 4. 12. 95
Stell dir vor, es gibt den ersten(!) grünen(!) Bezirksbürgermeister Berlins, und der taz ist die Wahl in Tiergarten gerade einmal ganze 17 Worte wert!? Meine lieben tazlerInnen, ein Bericht mit Foto von Jörn Jensen wäre doch die mindeste Würdigung des Ereignisses gewesen, vielleicht zusammen mit der ebenfalls gewählten Stadträtin für Jugend, Schule und Sport, Elisa Rodé. Aus Liebe zu journalistischer Sorgfalt noch eine Anmerkung dazu, was die Nachricht hätte sein können: In der taz war zu lesen: „Auch in Tiergarten standen die Zeichen auf Rot-Grün.“ Irrtum: Im hiesigen Bezirk gibt es mittlerweile eine grün-rote(!) Zusammenarbeit! Wir haben das wohl alle noch nicht genügend begriffen. That's the news. Robert Kohler
Nun meldet sich zum Thema Bürgermeisterwahl im Prenzlauer Berg auch Wolfram Kempe zu Wort, als ehemaliger Sprecher des Besetzerinnenrates. Sinnvoller wäre es, ihn als Autor von Kriminalromanen und Drehbüchern vorzustellen. Denn Kempe ist offensichtlich auf der Suche nach einem neuen Krimi. Wer die bösen sind, steht auch schon fest: Marianne Birthler und westdeutsche Abiturienten, die die Wählergemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg angeblich unterwandern und auf Anti-PDS-Kurs bringen...
Leider ist an der Sache nur eines wahr: An der Pforte der WählerInnengemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg wird niemand einer Leibesvisitation unterzogen, um das ein oder andere Parteibuch ans Tageslicht zu befördern. Und niemand muß seinen Lebenslauf vorlegen, um zu beweisen, daß er reinen ostdeutschen Blutes ist.
Blöderweise läßt sich die bunte Wählergemeinschaft nicht auf Linie trimmen, weder von Oberrealos noch von Superlinken und auch nicht von taz-Kommentatoren, denen Gespräche am Kneipentisch wichtiger sind als Recherchen vor Ort, Besuche bei der Bündnis- oder bei der PDS-Basis. Na ja, man kann das Wort Lokalreporter natürlich auch so verstehen. Stefan Berg
Daß Wolfram Kempe seine eigenen Ziele im Verhalten des Bündnis Prenzlauer Berg zum PDS-Bürgermeisterkandidaten Kleinert nicht wiederfindet, mag ja sein. Daß er aber anscheinend seine Ziele mit denen der WählerInnengemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg gleichsetzt, will sich mir nicht erschließen. Denn ihn habe ich nicht in der Wahlkampfvorbereitung noch im Wahlkampf, noch bei der Vorstellung von Burkhard Kleinert vor der WählerInnengemeinschaft kennengelernt. Gerade die letztgenannte Veranstaltung aber war ausschlaggebend für die sehr reservierte Haltung gegenüber Burkhard Kleinert. Denn es reicht nicht aus – wie die PDS zu meinen scheint –, dem Bündnis jemanden aus der alten DDR-Opposition vorzustellen. Als ob das die einzige Qualifikation sein sollte, die in unseren Augen für das Bürgermeisteramt nötig sei. Burkhard Kleinert konnte in der Befragung schlicht nicht überzeugen, daß er die Dinge verkörpert, die wir vom künftigen Bürgermeister erwarteten: Kompetenz, Phantasie, Gestaltungswillen, Konsensfähigkeit und Charisma. Aber das konnte Wolfram Kempe nicht unbedingt wissen – er war ja an diesem Abend nicht anwesend. Wenn er behauptet, daß sich Kleinerts Ziele wie das Wahlprogramm des Bündnis lesen, läßt das den Schluß zu, er hat die Ziele schriftlich formuliert gesehen. Ich habe von Burkhard Kleinert nur etwas gehört – unser Wahlprogramm war das nicht. Allerdings gab es danach auch Stimmen, die meinten, Kleinert sei von seinen Genossen nur sehr schlecht behandelt worden.
Noch ein paar Bemerkungen zu Uwe Radas Schreibsel auf der Seite 23: Lieber Uwe, wenn Du schreibst, daß Kleinert vor der Befragung „für anderthalb Stunden vor die Tür geschickt worden“ sei, verschweigst Du geflissentlich den Hintergrund: daß nämlich in dieser Zeit die Befragung vom damaligen SPD-Kandidaten Dennert stattfand. Von „feindseligem Klima“ kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Stimmung bei der Befragung Kleinerts war ausgesprochen locker, zumal wenn man den Vergleich zur Runde mit Dennert zieht. Alles ändert nichts daran, daß Kleinert an dem betreffenden Tag sich nicht überzeugend darstellen konnte. Warum, das mögen sich u.a. seine Genossen fragen, die ihn für dieses Amt aufgestellt haben. Rainer Sommer, z.Zt. einer von
drei SprecherInnen des Bündnis
Prenzlauer Berg
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