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Keine Hilfe vom heiligen Nepomuk

■ Trotz verzweifelten Bemühens schaffte Sparta Prag gegen AC Mailand nur ein 0 : 0 und schied aus dem UEFA-Cup aus

Prag (taz) – Die Temperaturen waren gerade noch rechtzeitig wieder in die Nähe des Gefrierpunktes geklettert, und der Rasen im Sparta-Stadion von Prag war von seiner Schneedecke befreit, dennoch blickten die Filigran-Kicker vom AC Mailand recht unglücklich, als sie sich einspielten. Das lag weniger am Fehlen von Savicevic, Baggio, Albertini und Simone im Aufgebot, sondern mehr daran, daß der gefrorene, rutschige Platz ihrem gewohnten Paßspiel nicht sehr entgegenkam. Immer wieder spielten die Assistenztrainer scharfe, flache Bälle, und die Italiener hatten ihre liebe Mühe, bei der Ballannahme nicht formschön und zur Gaudi des ausverkauften Stadions auf die Schnauze zu fallen. Die Zuschauer hielten sich außerdem durch mitgebrachte Alkoholika, emsiges Hüpfen und lautstarke „Sparta“-Sprechchöre bei Laune. Das brauchten sie auch, um ihre Hoffnungen, das 0:2 aus dem Hinspiel wettmachen zu können, aufrechtzuerhalten.

Eine schier unlösbare Aufgabe war es, die sich vor den Herren Mistr, Budka, Svoboda, Nedvêd und Co. auftürmte, und dementsprechend gedämpft waren die Erwartungen in Stadt und Publikum. „Es müßte schon ein Wunder geschehen“, gab ein Würstchenverkäufer die allgemeine Stimmung wieder. Schwer genug, die Mailänder, in deren Reihen trotz der Ausfälle Weltklasseleute wie Maldini, Baresi, Weah und Panucci mitwirkten, daran zu hindern, selbst ein Tor zu schießen. Aber um dann noch drei eigene Treffer zu Wege zu bringen, müßte zu der Hilfe des gefrorenen Bodens und des ergebenen Publikums schon die des heiligen Nepomuk hinzukommen.

Zunächst jedoch hatte Italiens heiliger Paolo das Sagen. Paolo Maldini, dem die schwarzen Handschuhe besonders gut standen, und seine Gefährten in den beiden hintereinander postierten Viererketten des AC Mailand veranstalteten ein munteres Kesseltreiben auf die verzweifelt herumhetzenden Prager. Egal, wer den Ball hatte, er sah sich sofort von drei Italienern umringt. Greift der Gegner an, verhält sich das Milan-Team so harmonisch wie die Crew eines Segelbootes. Wandert der Ball auf die linke Seite, sind sofort auch alle Mailänder dort, wird er nach rechts gepaßt, sind sie plötzlich alle da. Dabei macht es überhaupt nichts, wenn ein gegnerischer Stürmer auf einmal mutterseelenallein herumsteht. Immer wieder winkten rechts der Offensivverteidiger Mistr oder links der Außenstürmer Frýdek verzweifelt. Ein einziger Querpaß über 40 Meter, und sie hätten freie Bahn zum Tor gehabt. Doch die ballführenden Spieler standen viel zu sehr unter Druck, um zu einem solchen Paß ausholen zu können, und wenn sie die glitschige Kugel doch zu Mistr oder Frýdek durchwurschteln konnten, war Milan längst wieder da.

Absolut kein Durchkommen war auf der linken Seite des Paolo Maldini, der in diesem Jahr wohl wieder einmal nicht zu Europas Fußballer des Jahres gewählt werden wird, obwohl er es längst verdient hätte. In Abwesenheit von Savicevic schwang er sich sogar zu einer Art Spielmacher auf, hatte allerdings bei diesen Bodenverhältnissen wie alle anderen Mühe mit dem Zuspiel. Insgesamt zeigten die Italiener wenig Interesse, ein Tor zu schießen, sie beschränkten sich darauf, das 0:0 zu halten. Dabei waren sie sich nicht zu schade, eine gehörige Portion Gemeinheit anzuwenden. Fünf gelbe Karten legen davon Zeugnis ab. Es hätten auch mehr sein dürfen.

In Gefahr gerieten sie nur in einer kurzen Phase ab der 55. Minute, als Sparta plötzlich zu klareren Spielzügen und Torchancen kam. Das Spiel glitt Milan aus der Hand, doch Coach Fabio Capello reagierte sofort, brachte Donadoni und Locatelli für Boban und di Canio, und schon lief wieder alles prima. Es blieb beim 0:0, doch niemand war Sparta böse, kein Pfiff ertönte aus dem fröstelnden Publikum. Die Mannschaft hatte getan, was sie konnte.

Schade nur, daß Milans George Weah, der von den Zuschauern bei jeder Ballberührung mit rassistischen Zurufen eingedeckt wurde, kein Tor gelang. Aber der Liberianer hatte sich prophylaktisch seine Genugtuung bereits im Hinspiel verschafft. Damals erzielte Weah beide Tore. Matti Lieske

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