: Mißtrauen gegen die Welt
Die UNO-Mission in Ruanda geht ihrem Ende entgegen – höchstens drei Monate bleiben ihr. Die Regierung des Landes verzichtet darauf gern ■ Von Dominic Johnson
Eines kann man der UNO- Blauhelmmission in Ruanda (Unamir) sicher nicht vorwerfen: Daß sie sich über Gebühr in die inneren Angelegenheiten des Gastgeberlandes eingemischt hätte. Die erste UNO- Truppe, die im Herbst 1993 entsandt worden war, schaute tatenlos zu und zog schließlich ab, während im Frühjahr 1994 über 500.000 Regierungsgegner und Angehörige der Tutsi-Minderheit von Hutu- Milizen abgeschlachtet wurden.
Und auch die wenigen Monate nach dem Abzug der ersten entsandte zweite Truppe wird wenig bleibende Erinnerung hinterlassen. Ihr Mandat lief offiziell gestern ab, und ihre Tage sind gezählt: Bis heute sollte der UN-Sicherheitsrat sich entscheiden, ob er die Mission noch einmal für drei Monate in einer reduzierten Form verlängert oder sofort komplett beendet. Zur Zeit sind 1.800 Blauhelmsoldaten – zumeist aus afrikanischen Ländern – in Ruanda stationiert, dazu 300 Militärbeobachter und 85 Zivilpolizisten. Weder sind sie an der Wiedereingliederung von rückkehrenden Flüchtlingen aus den Nachbarländern wie Zaire beteiligt – das macht das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR – noch sind sie in der Lage gewesen, Racheakte von Tutsi-Soldaten der seit 1994 in Ruanda regierenden „Ruandischen Patriotischen Front“ (RPF) an Hutus zu verhindern. Auch gegen die sich häufenden Grenzzwischenfälle zwischen RPF-Einheiten und eindringenden Hutu-Milizen aus Zaire – ein solcher Zusammenstoß forderte vor wenigen Wochen 300 Tote – ist die Unamir machtlos. Ihre einzige Funktion besteht darin, solche Vorfälle zu registrieren und der Öffentlichkeit bekanntzumachen. Das ist eine wichtige Tätigkeit, aber es bedürfte dazu kaum einer Truppe, deren Unterhalt nahezu eine Million Dollar pro Tag verschlingt.
Ruandas Vizepräsident Paul Kagame nannte kürzlich auf einer Anti-UNO-Demonstration in Ruandas Hauptstadt Kigali die UNO- Mission eine „Ferienagentur“. Ruanda möchte die UNO loswerden, fürchtet aber das negative Signal eines Rausschmisses. Erst letzte Woche hatten sich die Regierungen der Region auf einem Gipfel in Ägyptens Hauptstadt Kairo im Prinzip auf eine Rückführung der Flüchtlinge aus den Nachbarländern geeinigt, und Zaire hatte seine Drohung zurückgenommen, ab 1. Januar 1996 einseitig mit der Deportation zu beginnen. Ein UN- Rausschmiß würde aber eine geordnete Rückführung erschweren.
Am Donnerstag abend berichtete der ruandische Rundfunk, die Regierung habe sich nun zu einer letztmaligen Mandatsverlängerung bereiterklärt – unter der Bedingung, daß die Truppe auf 800 Mann verringert und auch offiziell auf Ingenieure, Logistikexperten und Beobachter beschränkt werde. Bewaffnete Blauhelme solle es nicht mehr geben, die Polizeiausbildung sollte auf bilateraler Ebene mit befreundeten Regierungen wie Deutschland oder Uganda geregelt werden. Keiner der beiden Resolutionsentwürfe der UNO entspricht den ruandischen Vorstellungen.
Die Versuche, einen Konsens zwischen den Vorstellungen der UNO und der Regierung Ruandas zu finden, können nicht verdecken, daß Ruandas Regierung dem Rest der Welt mit zunehmendem Mißtrauen begegnet. Die Tiefe dieses Mißtrauens, daß sich zum Teil auch aus dem Stillhalten des Auslands während des ruandischen Völkermords erklärt, wurde erst am vergangenen Mittwoch deutlich, als Ruanda 38 Hilfsorganisationen – vor allem französische – aus Ruanda auswies, darunter auch „Ärzte ohne Grenzen“. Sie hätten Anweisungen nicht befolgt, hieß es als Begründung. Unter Organisationen, die in Ruanda bleiben dürfen, löste die Ausweisungsaktion Bestürzung aus.
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