: Junge bilden Riesenkoalition
Im Bundestag hat ein parteiübergreifendes Bündnis eine Ökosteuerinitiative gestartet. Notfalls soll Deutschland allein vorangehen ■ Aus Bonn Holger Kulick
Dieses Bündnis hat Bonn noch nie gesehen. Gestern Mittag traten Verteter von Grünen, CDU, SPD und FDP vor die Mikrofone – die Youngster im Bundestag. Ihren störrischen Alten wollen sie Beine machen, damit endlich Bewegung in die Ökosteuerdebatte kommt. 17 Abgeordnete bilden die große Ökosteuerkoalition, unterstützt von Vertretern des BUND und des Bundes Junger Unternehmer. „Wir sind eine Generation, die Dampf machen will für den Klimaschutz und gegen die überall tätigen Verhinderungsstrategen“, faßt Hermann Gröhe von der CDU die ungewöhnliche Teamarbeit zusammen. „Um Zukunft zu sichern, muß der Fraktionszwang egal sein“, fügt seine FDP-Kollegin Birgit Homburger hinzu. Es müsse endlich „ökologisch ehrliche Preise“ geben. Konkrete Zahlen bietet das Bündnis allerdings nicht. Die Kompromißfindung wäre zu schwierig gewesen, klagt Matthias Berninger von den Bündnisgrünen. Der Konsens aber sei nichtsdestotrotz sehr wichtig, „weil dieses Projekt eine gesellschaftliche Mehrheit braucht, wie es sie für den Aufbau des Sozialstaats gab“. Erklärtes Ziel der 17 ist eine stärkere Umweltorientierung des Steuersystems. „Unternehmerische Kreativität und Dynamik“ soll der Sache des Umweltschutzes nutzen. Konkret fordern die Abgeordneten drei Punkte – die allerdings wegen des notwendigen Kompromisses nur zaghaft formuliert sind.
Erstens wollen sie eine „allmählich ansteigende Energiesteuer, eventuell erweitert um eine C02-Komponente“. Der Druck, strom- und rohstoffsparende Techniken zu entwickeln, werde die Unternehmen zu Innovationen und Investitionen bewegen, hoffen die Jungabgeordneten. Die Abgabenlast von Firmen und Bürgern dürfe sich dabei nicht erhöhen. Deshalb sollen Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer zurückgehen. Eine Senkung der Lohnzusatzkosten sei „denkbar“.
Punkt zwei des Papiers betrifft die schrittweise Anhebung der Mineralölsteuer sowie eine ökologische Umgestaltung der Kfz-Steuer je nach Spritverbrauch und Abgaswerten. Autobahngebühren für Lkw sollen erhöht werden und die Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale umgewandelt werden, damit Rad-, Bus- und Bahnfahrer nicht länger benachteiligt sind. Und zum dritten wollen die Großkoalitionäre umweltbelastende Subventionen abbauen. Als Beispiel nennen sie die Steuerbefreiung für Flugbenzin. „Sollte sich eine derartige Steuer nicht in kürzester Zeit EU-weit durchsetzen lassen, halten wir eine nationale Vorreiterrolle Deutschlands für dringend geboten“, formulieren die Verfasser.
Die sieben unterzeichnenden CDU-Abgeordneten stellen sich mit dem Papier gegen den Kurs ihrer Fraktion und der Regierung. Vor allem Finanzminister Theo Waigel hat sich bislang gegen die Einführung einer Energie- C02-Steuer gewehrt, zuletzt beim Finanzministertreffen der Europäischen Union vor fünf Wochen. Dort waren mindestens zehn Länder bereit, einen spanischen Gesetzentwurf zur Energiesteuer zu akzeptieren. Doch das schränke Deutschlands Wettbewerbschancen ein, glaubt Waigel. Vor zwei Wochen hat sich deshalb sogar der konservative Vorsitzende der Umweltkommission im Europarat, Tom Spencer, mit drastischen Worten über Waigel beschwert. Mit betrügerischer Verschiebetaktik blockiere der deutsche Finanzminister europaweite Lösungen. Diese „Kurzsichtigkeit“ würden „uns unsere Kinder nicht verzeihen.
Auf dem CDU- Parteitag gab es laut Hermann Gröhe zwar Rückendeckung für ein Ökosteuerprojekt. Aber praktisch ging die Parteiführung auf Distanz – aus wahltaktischen Gründen, wie Insider versichern. Die CDU-Strategen hatten analysiert, daß Ökosteuern die Arbeitnehmer verunsichern. Das könnte prima gegen SPD und Grüne ausgespielt werden, so das Argument: denn die Ökosteuer gefährde die Wirtschaftsstabilität. Seit gestern aber trauen sich auch wieder ältere CDU-Abgeordnete, für die Ökosteuer zu werben. So war die Initiative der 17 Jungpolitiker mit dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Hans-Peter Repnik abgestimmt.
Repnik plädiert neuerdings dafür, daß Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen müsse, wenn im nächsten Jahr keine EU-Einigung zustande kommt. Die Industrie könne dann von den Ökosteuermaßnahmen vorerst ausgenommen werden, so daß sie nur die Privatverbraucher betrifft. Sehr vorsichtig hat Repnik auf fünf Seiten Eckpunkte für eine „umweltorientierte Weiterentwicklung des Steuersystems“ formuliert. Er setzt dabei auf einen „Instrumenten-Mix“ aus Ordnungsrecht und Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Sein Motto: „Bei kontrollierter Selbstverpflichtung entsteht keine Steuerpflicht“.
Welchen Kurs die CDU will, soll ein Umweltforum im Frühjahr beraten. Das hat Anfang der Woche CDU-Generalsekretär Hintze gesagt. Ganz untergehen wird die ungeliebte Ökosteuer dabei wohl nicht. Schließlich möchte Hintze die CDU künftig als „reformfreudigste Partei der Bundesrepublik“ verkaufen.
Sehr viel weiter haben aber Grüne und SPD gedacht. So hat am Dienstag die SPD bereits einen Fraktionsentwurf für eine Stromsparsteuer beschlossen. Das Motto lautet: „Ökologie ist langfristige Ökonomie“.
Im Januar soll das Papier im Bundestag gemeinsam mit der bislang weitgehendsten Ökosteuervorschlag von den Bündnisgrünen debattiert werden.
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