: Haftbefehl für Funkhaus Berlin
■ Bauwettbewerb: Polizei baut Hochhaus auf einstigem DDR-Rundfunkgelände. Alter Sendesaal verkommt
Wo bis zum Fall der Mauer noch philharmonische Töne und stramme realsozialistische Rundfunkreportagen gesendet wurden, sollen künftig Polizeistiefel durch die Gänge und über den Hof knallen. Im einstigen Funkhaus Berlin in der Nalepastraße (Bezirk Köpenick) werden Hundertschaften der Polizei gestapelt. Die hauptstädtischen Schupos ziehen in die fünf Stockwerke des Verwaltungstrakts entlang des Studiosaals im Block A, der nach der Abwicklung des früheren DDR-Rundfunks verwaist ist.
Doch die Polizei übernimmt noch andere Teile des unter Denkmalschutz stehenden Geländes, auf dem der Architekt Franz Ehrlich 1952 bis 1956 die Sendegebäude errichtete. Weitere Dienststellen sowie Sport- und Übungsflächen sollen in einem Neubaukomplex untergebracht werden. Nach dem Entwurf des niederländischen Büros Ben van Berkel & Bos (Amsterdam) ist geplant, zwischen die beiden großen rechteckigen Funkhäuser einen langen Flachbau und an dessen Spitze – hin zur Nalepastraße – eine schmale fünfzehnstöckige Hochhausscheibe mit Glasfassaden zu bauen. Im rückwärtigen Bereich bis zur Spree sollen Sportplätze geschaffen werden. Berkel & Bos gingen als Sieger aus einem beschränkten Bauwettbewerb „Polizeidirektion 6“ hervor.
Das Preisgericht hatte sich für den Entwurf der niederländischen Architekten entschieden, da durch die „Anordnung der Baukörper der Ehrlich-Komplex ergänzt und geschlossen wird“. Außerdem sei der landschaftliche Bereich gut gelöst. Kritik gab es in der Jurysitzung an der schmalen Hochhausscheibe, die nicht so gut ins Bild passe als kleiner Nachbar des Kraftwerks Rummelsburger Bucht.
Die denkmalgeschützten Bauten sollen, bis auf Studioanbauten und Garagenblocks, erhalten werden. Das Funkhaus Berlin war von der DDR ab 1952 in Konkurrenz zum Haus des Rundfunks in der Masurenallee (heute SFB) entstanden. Franz Ehrlich hatte auf dem weitläufigen Gelände an der Oberspree einen fünfgeschossigen Verwaltungstrakt sowie große Studio- und Aufnahmegebäude geplant. Die monumentalen Hauptgebäude verkleidete er mit Backstein. Die Innenräume des Sendeensembles waren zwar funktional gestaltet, dennoch legte Ehrlich größten Wert auf die Akustik der Gebäude. In seinem Zentrum beherbergt das Funkhaus ein Schmuckstück: Der holzvertäfelte Aufnahmesaal für Konzerte oder Hörspiele zählt zu den ästhetischen und technischen Besonderheiten in der Schallkörperarchitektur, die an die akustischen Qualitäten der Philharmonie von Hans Scharoun heranreicht.
Weil für das denkmalgeschütze Ensemble kein Nutzer gefunden wurde, hat sich der Senat entschieden, die Polizei dort einzuquartieren. Frühere Beschäftige des DDR-Rundfunks kritisieren das Vorhaben und werfen den Verantwortlichen mangelndes Interesse an dem Gelände und Siegermentalität vor. Der Senat hätte sich mehr um die Abwicklung bemüht als um den Erhalt der Arbeitsplätze und des hochwertigen Funkhauses, so eine Hörspielautorin. Über kurz oder lang würde durch die Polizeinutzung der Aufnahmesaal verkommen. Der Neubau soll insgesamt 184 Millionen Mark kosten. Mit dem ersten Bauabschnitt soll 1996 begonnen werden. Rolf Lautenschläger
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