: Die Besserverdiener nagen am Hungertuch
■ Die FDP sitzt auf einem Schuldenberg von mindestens einer halben Million Mark. Die Basis soll zur Kasse gebeten werden
Eine Sorge ist die FDP seit dem Wochenende los. Ihr amtierender Landesvorsitzender Günter Rexrodt kündigte an, für das Amt nicht mehr zu kandidieren und sich voll auf seine Aufgabe als Bundeswirtschaftsminister zu „konzentrieren“. Mit seiner Absage hat der umstrittene Nochvorsitzende der Partei zwar eine quälende Personaldebatte erspart, die von ihm mitverantworteten finanziellen Probleme warten aber immer noch auf eine Lösung. Denn nach dem glatten Rauswurf aus dem Parlament – nur 2,5 Prozent der WählerInnen gaben am 22. Oktober ihre Stimme der „Partei der Besserverdienenden“ – geht der Berliner Landesverband am Bettelstab. In den Kassen klafft ein Loch von einer halben Million Mark, so interne Schätzungen. Rund 700.000 Mark waren für den Wahlkampf veranschlagt worden, nur 180.000 Mark kamen an Spenden wieder herein. Auch die Rückkostenerstattung nach dem Parteiengesetz wird mit 42.000 Mark (rund eine Mark pro Zweitstimme) den leeren Topf kaum füllen.
In einem internen Brief vom 10. November hatte Rexrodt auf das sich anbahnende Debakel hingewiesen. Es sei nicht gelungen, die „notwendigen Spenden“ bei den Mitgliedern einzutreiben, folglich könne die FDP ihren „Verpflichtungen nicht mehr nachkommen“. Im Sommer hatte der 16köpfige Landesvorstand aus eigener Tasche 41.000 Mark gezahlt und die Mitglieder des Landesausschusses, dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen, zur Nachahmung aufgefordert. Mit wenig Erfolg. „Die finanzielle Lage bleibt angespannt“, meint Landesgeschäftsführerin Ilona Klein, ohne auf konkrete Details einzugehen.
Der Landesvorstand, der wie Rexrodt kurz nach der Wahl seinen Rücktritt für den Sonderparteitag Mitte Januar ankündigte, will nun die Basis zur Kasse bitten. Den Delegierten soll ein Antrag vorgelegt werden, mit dem jedes Mitglied zur Zahlung einer einmaligen Umlage von 100 Mark verpflichtet wird. Außerdem schlägt die Spitze vor, die Abführung der Bezirksverbände pro Mitglied und Monat von derzeit zehn auf zwölf Mark zu erhöhen. Selbst das dürfte nur ein Notgroschen sein, denn die Zahl der FDPler sank von einst 4.000 auf 3.200. Die Liberalen, die nicht nur aus dem Abgeordnetenhaus, sondern auch aus allen Bezirksparlamenten flogen, müssen sich auf einen harten Sparkurs einstellen. Rexrodts Stellvertreter Jürgen Dittberner plädierte dafür, den Posten des Landesgeschäftsführers zu streichen. Wohl noch das leichteste Unterfangen – der Vertrag der Amtsinhaberin Ilona Klein läuft demnächst aus.
Die Situation ist derart angespannt, daß selbst der Sonderparteitag Mitte Januar kurzzeitig in Frage stand. Auf einer Sitzung des Landesausschusses hatte Schatzmeister Werner Upmeier aus finanziellen Erwägungen sein Veto für den Fall eines vorgezogenen Parteitages angekündigt. Am Ende sprang der Ostberliner Unternehmer Wilhelm Lutz, selbst im Landesvorstand, ein. Für die Ausrichtung des Parteitages, so heißt es intern, wolle er 20.000 Mark spenden. Severin Weiland
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