Japan schlittert am GAU vorbei

■ Aus dem schnellen Brüter von Monju liefen mehrere Tonnen Natrium aus. Explosion knapp vermieden

Tokio (taz) – Japans unerschütterliche Atomingenieure, die erst im August den modernsten kommerziellen Brutreaktor der Welt ans Stromnetz legten, mußten am Wochenende ihren bislang schwersten Rückschlag hinnehmen. In der Nacht zum Samstag ereignete sich im schnellen Brüter von Monju in der westjapanischen Provinz Fukui der bislang schwerste Unfall in der Atomindustrie des Landes. Aus dem Kühlsystem des Plutoniumreaktors entwichen in dieser Nacht zwischen zwei und drei Tonnen des Kühlmittels Natrium, das in Kontakt mit Luft explodiert.

Eine Explosion wurde vermieden, weil das Kühlmittel in luftleerem Raum verblieb. Für die Gegner des schnellen Brüters hat sich damit die grundsätzliche Schwäche der Plutoniumreaktoren bestätigt: Schon kleine Pannen im Natriumkreislauf können zu einer Katastrophe führen, bei der das gesamte Plutonium des Kraftwerks freigesetzt wird.

An der Gefährlichkeit des Unfalls, bei dem keine Radioaktivität frei wurde, ließen auch die Behörden keine Zweifel: „Es handelt sich um einen gravierenden Zwischenfall, der zur Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen von Monju zwingt“, erklärte die Präfektursregierung von Fukui. In Tokio versicherte ein Sprecher des zuständigen Ministeriums, daß der Vorfall auch von Regierungsseite „ernst genommen“ werde. Am Samstag trat die Nukleare Sicherheitskommission zusammen.

In Fukui stehen nun umfangreiche Reparaturarbeiten bevor: Sämtliche 250 Tonnen Natrium des defekten Kühlkreislaufs müssen entfernt werden, bevor die Ingenieure zur eigentliche Bruchstelle im Kühlsystem gelangen können, deren genauer Ort am Wochenende nicht festzustellen war. Soweit bekannt, handelt es sich um eine Stelle, die bei Probeläufen 1991 bereits Defekte gezeigt hatte.

Masako Sawai, Mitarbeiterin des Citizen's Nuclear Information Center, eines Tokioter Zentrums der Anti-AKW-Bewegung, sagte: „Japans Atomingenieure müssen jetzt begreifen, daß auch sie das Natriumkühlsystem eines schnellen Brüters nicht gefahrenfrei beherrschen. Wir erleben nun die gleichen technischen Schwierigkeiten, die in Deutschland und anderen Ländern zur Aufgabe der Plutoniumreaktoren geführt haben.“

Mit dem Bau des ersten industriell ausgelegten Brüters mit einer Leistung von 280 Megawatt wurde in Japan bereits im Jahr 1985 begonnen. Als einziges Land außer Frankreich hält Japan heute an einer eigenständigen Plutoniumindustrie fest, zu der auch der Bau einer Wiederaufbereitungsanlage zählt. Georg Blume