: Sozialämter handeln gesetzlos
Flüchtlingsrat: Leistungen werden illegal gekürzt. Ohne Rechtsgrundlage sparen Behörden bei Lebensunterhalt und Krankenhilfe ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Willkürlich kürzen niedersächsische Ausländerbehörden immer häufiger vor allem Bürgerkriegsflüchtlingen die staatlichen Zuwendungen. Diesen Vorwurf hat jetzt der niedersächsische Flüchtlingsrat erhoben und an Dutzenden von Fällen belegt. So werde etwa Bürgerkriegsflüchtlingen aus Restjugoslawien mit Billigung der Bezirksregierung Hannover in einigen Kommunen die normale Sozialhilfe vorenthalten. Obwohl das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kürzlich den vollen Sozialhilfeanspruch dieser Bürgerkriegsflüchtlinge bestätigt hatte, bekommen sie nur eine um 20 Prozent gekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt, und dies in Form von Nahrungsmittelpaketen. Kai Weber, Sprecher des niedersächsischen Flüchtlingsrates, bezeichnete diese Praxis als „schlicht illegal“. In Niedersachsen garantiere der gesetzliche Anspruch auf volle Sozialhilfe in der Praxis keineswegs die Gleichbehandlung mit bundesdeutschen Sozialhilfeempfängern.
Nach den Festellungen des Flüchtlingsrates wird im Landkreis Hildesheim Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien beispielsweise dringend notwendige Winterkleidung verweigert. Der Landkreis Göttingen lehne es ab, an Flüchtlinge mit vollem Sozialhilfeanspruch die bei deutschen Sozialhilfeempfängern übliche Weihnachtsbeihilfe auszuzahlen.
Die Sozialverwaltung von Delmenhorst verlangte gar von Flüchtlingen, die einem faktischen Arbeitsverbot unterliegen, monatlich fünf Bewerbungen um einen neuen Job. Dabei dürfen diese Flüchtlinge ohnehin nur berufliche Tätigkeiten ausüben, für die das Arbeitsamt drei Monate lang vergeblich deutsche Arbeitskräfte gesucht hat. Den Flüchtlingen wurde mit Kürzung der Leistung gedroht.
Schlicht rechtswidrig geht es in den Augen des Flüchtlingsrats auch in niedersächsischen Gefängnissen zu. Abschiebehäftlinge erhalten dort nur ein monatliches Taschengeld von 40 Mark, obwohl ihnen selbst nach dem Asylbewerberleistungsgesetz der doppelte Betrag an Taschengeld zusteht. Ein verringertes Taschengeld während der Abschiebehaft von 56 Mark soll erst mit der von Bundesgesundheitsminister Seehofer geplanten Gesetzesnovelle eingeführt werden.
Besonders benachteiligt gegenüber deutschen Sozialhilfeempfängern sind Bürgerkriegsflüchtlinge bei der medizinischen Versorgung. Aufwendigere Zahnbehandlungen hält etwa der Landkreis Hildesheim bei bosnischen Flüchtlingen für überflüssig. Allein von dieser Behörde liegen dem Flüchtlingsrat drei aktuelle Entscheidungen vor, mit denen die Übernahme zahnärztlicher Behandlungskosten abgelehnt wird.
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