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Die Ulis, der letzte Versuch

■ Kammerspiele: Ulrich Tukur und Ulrich Waller übernehmen die künstlerische Leitung

Bis dato war es nur ein laues Gerücht, seit gestern ist es amtlich und vertragsmäßig bestätigt: Nicht Gunnar Dreßler, der Chef des Theaters in der Basilika, sondern der Regisseur und Kabarett-Festival-Organisator Ulrich Waller und der Schauspieler Ulrich Tukur werden ab nächster Spielzeit die künstlerische Leitung der Kammerspiele übernehmen. Geschäftsführer Jürgen Hunke begründete diesen Kurswechsel damit, daß Dreßler seine Stammbühne gerne weitergeführt hätte, was er, Hunke, für unvereinbar mit der Leitung der Kammerspiele gehalten habe.

Außerdem hätten die Alternativkandidaten Waller und Tukur dank ihrer guten Kontakte in die Schauspieler- und Kabarettisten-Szene ein Konzept mit vielen zugkräftigen Namen präsentiert, wogegen Dreßler mit unbekannteren Schauspielern die billigere Lösung gesucht hätte. Doch auch die negative Aufnahme Dreßlers habe ihn „nachdenklich gemacht“.

Die beiden erhalten jetzt einen Zwei-Jahres-Vertrag, der ihnen für diesen Zeitraum finanziell den Rücken freihält. Danach möchte Hunke sich gerne „von dieser Last befreien“, sprich: die Subventionen in Millionenhöhe, die er gemeinsam mit Dirk Schmidt-Prange besorgt, zurückfahren. Vorher müssen sie allerdings noch einmal kräftig hinlangen, denn die neuen Leiter haben zur Bedingung gemacht, daß der Theaterraum zuschauerfreundlicher wird.

Waller und Tukur wollen ein Programm mit einem Stand- (Kabarett) und einem Spielbein (Sprechstücke) entwickeln. Eröffnen werden sie mit Borcherts Draußen vor der Tür (inszeniert von Waller mit Tukur als Beckmann), das in den Kammerspielen einst seine Uraufführung erlebte. Danach sollen Kabarettisten wie Matthias Beltz und Horst Schroth dafür sorgen, daß die Kammerspiele wieder ins Bewußtsein der Theatergänger rücken. Vier Eigenproduktionen sowie Gastspiele werden ergänzt durch Musik- und Schauspiel-Events. Ein künstlerischer Beirat, dem unter anderem die Literaturhaus-Chefin Ursula Keller und der Musikmanager Horst Königstein angehören werden, sollen das künstlerische Programm in verschiedene Richtungen öffnen. Ernst und Unterhaltung sollen sich die Waage halten und Schauspieler wie Ulrich Wildgruber, Barbara Nüsse, Dominique Horwitz wird man erwarten dürfen.

Was mit den bisherigen Mitarbeitern geschieht, ist laut Hunke „Sache von Herrn Waller“, der die Administration übernimmt. Dieser wollte sich gestern nur darauf festlegen, daß es ein kleines Team und auf jeden Fall wieder eine Pressestelle geben wird. Ansonsten, so Tukur, „schlottern uns zwar die Knie, aber wir springen jetzt ins Wasser – Schwimmen werden wir schon irgendwie.“ Die Kultursenatorin, die von dieser Entscheidung völlig überrascht wurde, schweigt dazu wohlwollend.

Till Briegleb

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