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Die Möbelpacker durften sich wieder trollen

■ PUA Polizei und Senat scharmützeln eifrig vor Hamburgs Gerichten

Die Ankündigung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) „Polizei“, gestern morgen 1800 Ermittlungs- und Disziplinarakten der Polizei zu beschlagnahmen, hat in den Hamburger Gerichten und im Rathaus ein reges Treiben ausgelöst. Am Abend beriet sogar das Hamburgische Verfassungsgericht über eine einstweilige Anordnung, mit der der Senat die Aktengelüste der PUA-Mitglieder unterbinden will. Das höchste Hamburger Gericht vertagte sich jedoch auf nächsten Mittwoch.

Dabei hatte der PUA schon alle Vorbereitungen für den großen Coup getroffen. Die Möbelpacker standen bereit, um die begehrten Dokumente aus der Innenbehörde und dem Polizeipräsidium abzuholen. Denn in der vorigen Woche hatte Amtsrichter Henning Haage das Beschlagnahmebegehren des Auschusses für rechtmäßig erklärt (taz berichtete), nachdem sich der Senat seit Monaten aus „datenschutzrechtlichen Bedenken“ weigert, die Unterlagen herauszurücken.

Derselbe Richter unterzeichnete jedoch gestern früh eine Einstweilige Verfügung, mit der die Vollziehung des Urteils vorläufig außer Kraft gesetzt wird. Grund: Das Landgericht solle genügend Zeit haben, eine vom Senat eingelegte Beschwerde zu überprüfen. Die Möbelpacker durften sich wieder trollen. Der PUA-Vorsitzende Ulrich Karpen (CDU) kommentierte: „Die Bürgerschaft respektiert selbstverständlich die richterliche Entscheidung, auch wenn sie diese inhaltlich nicht für richtig hält. Wir können es nicht akzeptieren, daß der Senat den Datenschutz monopolisiert.“

Auf einem eiligst einberufenen Pressegespräch im Rathaus verwahrten sich Senatsvertreter gestern nachmittag gegen den Vorwurf, die Aufklärung über rassistische Tendenzen bei Hamburgs Polizei zu verhindern und die PUA-Arbeit zu verzögern. Der Verfassungsrechtler Hans-Peter Bull, Prozeßbevollmächtigter des Senats: „Im Disziplinarverfahren herrschen so strenge Regeln, daß öffentlich nicht einmal über den Stand des Verfahrens berichtet werden darf.“ Der Senat sei verpflichtet, „Individualrechte“ der Betroffenen zu wahren.

Zum Teil stünden in den Disziplinarakten Intimitäten, viele Vorwürfe basierten nur auf „Vermutungen, Gerüchte oder Denunziationen“. Würden alle Akten herausgegeben und in öffentlicher Sitzung verhandelt, würde der Senat seine „Fürsorge- und Geheimhaltungspflicht“ verletzen. Hans-Peter Bull: „Es muß durch eine verfassungsrechtliche Instanz geklärt werden, in welchem Umfang der Senat Akten an den PUA abgeben muß.“ Für die Klärung dieser Sachlage hat das Verfassungsgericht maximal drei Monate Zeit. Kai von Appen

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