: „Ein Stück Sparpolitik ausgehebelt“
■ Eltern besetzen Krippe in Ottensen / 26 Kinder bekommen einen Platz Von Andreas Albert
Protest in Ottensen: Drei Stunden lang besetzten gestern Eltern und Kinder leerstehende Räume der Krippe Eulenstraße in Ottensen. Hintergrund der Aktion: Das komfortabel eingerichtete Heim wird nur zu drei Vierteln genutzt. Es fehlt an BetreuerInnen. Weil zuwenige engagiert werden sollten, verweigerte der Betriebsrat jeglicher Neueinstellung seine Zustimmung.
Die erst im Januar eingeweihte Tagesstätte bietet Raum für 149 Kinder. Bis jetzt sind nur 110 Plätze besetzt. Bleiben 39. Für diese bekamen wartende Eltern mündliche Zusagen für Anfang Februar. Daraus wurde nichts: Die Vereinigung städtischer Kinder- und Jugendheime e.V., Trägerin der Kindertagesstätten, hatte Sparauflagen in Höhe von rund 9,3 Millionen Mark vom Senat aufgebrummt bekommen. Die sollten durch Stellenbewirtschaftung abgeleistet, d.h. Neueinstellungen auf Eis gelegt werden. Für die Eulenstraße wurden daher weniger Stellen ausgeschrieben als nötig. Der Betriebsrat sperrte sich gegen alle Neueinstellungen. Begründung: Die Personalausstattung entspreche nicht den üblichen Standards. Eine adäquate Betreuung der Kinder würde verhindert werden und ginge zu Lasten der BetreuerInnen. Die 39 Kinder mußten draußen bleiben.
Parallel zur Elternaktion tagte gestern die unabhängige Eini-gungsstelle, um den Konflikt zu lösen. Ergebnis: Ab kommender Woche werden zunächst 26 neue Kinder in der Eulenstraße betreut – und die entsprechenden BetreuerInnen eingestellt. „Für die anderen Stellen sind die Ausschreibungsverfahren noch nicht abgeschlossen“, sagte Henrike Retzlaff, Leiterin der Krippe. Sie hofft aber auf eine baldige Besetzung. Der Betriebsrat ist da kritisch: „Der Arbeitgeber erpreßt Heim und Betriebsrat, es herrscht Krieg“, sagte der Vorsitzende Frank Sadowski. Auch wenn der Arbeitgeber gestern von seiner rigiden Sparpolitik abgerückt sei, bleibe das Problem der unadäquaten Personalausstattung bestehen. Der Konflikt um die Einstellung der BetreuerInnen für die restlichen 13 Kinder sei programmiert.
Martin Schaedel, Vorstand des Trägers, ist über die Neueinstellungen froh: „Der Druck der Eltern ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ Deren Zorn richtete sich jedoch nicht gegen den Betriebsrat. „Die Politiker sind schuld“, so eine Besetzerin, mit ihren Sparplänen hätten sie die Situation geschaffen. „Aber der Betriebsrat sollte keine Blockadepolitik auf Kosten der Eltern machen“, so eine andere Reaktion. Als echten Erfolg bezeichnet Annett Schroeder, Mitorganisatorin des Streiks, die erkämpften 26 Plätze: „Es wurde sozusagen ein Stück Sparpolitik ausgehebelt. Das kann man feiern.“
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