: Die Weihnachtsfrau heißt Maria
Maria Hennig von „Eis-Hennig“ sponsert Autonomes Mädchenhaus. Senatskürzungen sind Beispiel für Sparen ohne Spareffekt ■ Von Ute Scheub
Weil derzeit fast alle Projekte vom Sparzwang betroffen sind, bezahlt die Senatsverwaltung wenigstens eines: Kurse über „social sponsoring“. Die pfiffigen Mädels vom Autonomen Mädchenhaus haben die Lektion am schnellsten begriffen und eine nicht minder pfiffige Sponsorin gefunden. Gestern stellten sie ihre Weihnachtsfrau in der Mariendorfer Filiale von Eis-Hennig vor: Es ist die Chefin persönlich, Maria Hennig.
„Ich finde das Mädchenhaus einfach wichtig“, begründete die in einer Mädchenschule erzogene Unternehmerin mit dem angegrauten Kurzhaarschnitt ihre Unterstützung. „Ich selbst hätte in den sechziger Jahren nur zu meinem Pfarrer gehen können, wenn ich von zu Hause hätte abhauen wollen“, berichtete die flotte Chefin bei Zimteis mit heißen Kirschen. Nachdem die Mitarbeiterinnen des Mädchenhauses in der Weihnachtszeit 1994 Spendenbriefe herumgeschickt hatten, schob Maria Hennig 4.500 Mark rüber. Einfach so, quasi inkognito.
Die Frauen brannten darauf, die edle Spenderin kennenzulernen. Maria Hennig besuchte das Mädchenhaus und spendierte noch mal 2.500 Mark für eine Postkartenaktion anläßlich seines fünfjährigen Bestehens im Sommer. 20.000 Postkarten mit der Adresse und dem Spendenkonto des Zufluchtsprojektes wurden verteilt und in Kneipen ausgelegt. Die Idee dazu, gesteht eine Mitarbeiterin, stammte aus ebenjenem Senatsseminar über „social sponsoring“. Aber wohl kein anderes Projekt hat die Anregungen so schnell und öffentlichkeitswirksam umgesetzt.
Die rührende Weihnachtsgeschichte hat immer noch kein Ende: Die 30köpfige Belegschaft von Eis-Hennig beschloß, sich ihrer Chefin anzuschließen und die diesjährigen Trinkgelder in Höhe von rund 1.100 Mark ebenfalls dem Mädchenhaus zukommen zu lassen. Maria Hennig selbst wählte sich derweil die Finger wund, um weiteren Unternehmen Spenden für die Mädels abzuschwatzen. „Betteln ist schwer“, findet Maria Hennig. „Bei einer Firma bin ich total abgeblitzt, nach dem Motto ,Ja, wer sind Sie denn?‘“
Weitere Spenden sind dringend erwünscht, weil das Zufluchtshaus 1995 mit rund 400.000 statt bisher 760.000 Mark auskommen muß. Bislang brauchten die Mädchen nichts für ihren Aufenthalt zu bezahlen, das Mädchenhaus bekam eine Pauschalfinanzierung. Ab 1. Januar aber muß jedes Mädchen, das länger als 28 Tage im Haus bleibt, eine Kostenübernahme beim bezirklichen Jugendamt beantragen. Von reicheren Eltern wird das Amt die Kosten zurückverlangen. „Ein Vater, dem die Tochter wegen sexuellen Mißbrauchs davongelaufen ist, wird natürlich nicht bezahlen“, sagte eine Mitarbeiterin, „also sind am Ende die Mädchen die Leidtragenden, die wir wegschicken müssen.“
Gleichzeitig aber scheint der Einspareffekt dieser Maßnahme gegen Null zu tendieren. Zwar muß die Senatsverwaltung für Jugend rund 360.000 Mark weniger ausgeben, doch die gleiche Summe geht dann in den Bezirken drauf. Die Mitarbeiterinnen sind also auf Sponsoren für Mädchen, die ihren Aufenthalt nicht finanziert bekommen, angewiesen.
Spendenkonto: Frauenselbsthilfe e.V., Gneisenaustraße 2a, Konto- Nr. 3052901, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 10020500. Krisentelefon: 7920404
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