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■ Verein SO 36 muß schließenUnter die Zeit geraten

Die Bezeichnung SO 36 wurde postalisch getilgt und ist nur noch gut für eine romantisierende Ortsbestimmung eines hinter dem Horizont des Mauerfalls entschwundenen alternativlinken Paradieses. Bald wird es auch den Verein SO 36 nicht mehr geben. Dessen siebzehnjährige Geschichte ist untrennbar verbunden mit dem Aufbruch und der Gegenwehr der Menschen im hinteren Kreuzberg gegen Kahlschlag und gegen eine Sanierung, die die ansässige Bevölkerung vertreiben sollte. Die massenhaften Hausbesetzungen waren nur ein Ergebnis dieser Wiederaneignung des eigenen Kiezes. Die neue Attraktivität und Lebendigkeit des Bezirks gründete neben den alternativen und autonomen Projekten auch auf einer aktiven Stadtteilarbeit. Ein dichtes Netzwerk sozialer Projekte trug dazu bei, auch Menschen mit sozialen Problemen zu stabilisieren. Erst alle Elemente zusammen machten das Modell Kreuzberg zum Erfolg und verliehen ihm Widerstandskraft.

Seit dem Mauerfall, der SO 36 aus seiner randständigen Existenz riß, offenbart sich, wie brüchig diese Strukturen geworden sind. Fast widerstandslos wird SO 36 aufgerollt. Die Abwicklung des Vereins SO 36 ist ein Lehrstück über den Verlust an politischen Strukturen – und Menschen, die sich für ihren Bezirk engagieren. Die „Strategien für Kreuzberg“ brachten vor fünfzehn Jahren den positiven Umschwung – heute wären solche bitter nötig. Eine Debatte über soziale Verteidigung wäre dringend nötig. Viele von denen, die solche Diskussionen einst mittrugen, haben sich hinter die sauber renovierten Fassaden ehemals besetzter Häuser zurückgezogen oder sind weggezogen. Nachgewachsen ist wenig. Wenn der Verein SO36 schließt, endet deshalb auch die Geschichte des aufmüpfigen Kreuzberg. Gerd Nowakowski

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