Mit dem Sender auf Du und Du
: Radio Bremen im Minus

■ Radio Bremen-Rundfunkrat ratlos: Lieber Defizit als schlechtes Programm

Radio Bremen steigt das Wasser bis zum Hals. Noch sind die letzten Maßnahmen der Programmreform nicht umgesetzt, noch hat sich das Publikum vom Zickzackkurs der vergangenen Jahre quotenmäßig nicht erholt – da gerät der Haushalt ins Schlingern. Im Budget von insgesamt 180 Millionen Mark entsteht im kommenden Jahr ein Einnahme-Minus von rund 18,5 Millionen. Diese Rechnung legte das Direktorium dem Rundfunkrat in seiner Sitzung am Donnerstag vor. Trotzdem stimmte das Gremium dem Wirtschaftsplan für 1996 zu – allerdings mit der Auflage an das Direktorium, ab sofort Einsparmöglichkeiten zu prüfen, die Beschneidung der Programme inklusive. Bis zur Länderentscheidung über die Rundfunkgebührenerhöhung wird nach außen hin jedoch nichts passieren. Abwarten heißt die Devise – auch wenn niemand glaubt, daß sich die Einnahmen des Senders verbessern könnten. Auf die zwei wesentlichen Einnahmeposten hat Radio Bremen nämlich keinen Einfluß.

Da sind einerseits die Einnahmen aus Rundfunkgebühren. Sie bringen 63 Millionen Mark in die Hansestadt. Zuwenig, heißt es im Sender. Auch die anderen Anstalten klagen und fordern eine Gebührenerhöhung. Allerdings rechnen selbst die Bremer ZwangsoptimistInnen mit höchstens vier Mark pro HörerIn. Die stopfen das Bremer Loch im Haushalt noch lange nicht, zumal der Betrag zwischen ARD und ZDF gesplittet werden muß.

Bleibt also nur die Hoffnung auf den zweiten großen Einnahmeposten, den Finanzausgleich zwischen den Sendeanstalten der Länder. Von dort fließen jährlich 75 Millionen Mark. Daß der Länderfinanzausgleich sich zu Bremens Gunsten erhöht, wird allerdings bezweifelt. „Nur eingeschränkt optimistisch“ sei er da, sagte Rundfunkratsmitglied Bernd Neumann. Der CDU-Medienexperte machte am Donnerstag stattdessen eine weitere Negativ-Rechnung auf: Würde der Finanzausgleich auf dem aktuellen Stand festgeschrieben, müsse man bei einem 180-Millionen-Haushalt künftig statt der avisierten 18,5 Millionen sogar mit einem jährlichen Minus von 37 Millionen rechnen. Da fallen die rund 10 Millionen Mark jährliche Werbeeinnahmen kaum noch ins Gewicht.

Trotzdem wartet der Sender ab. Eine Korrektur zum jetzigen Zeitpunkt bringe „unausweichlich“ negative Folgen fürs Programm, meinen Rundfunk- und Verwaltungsrat. Selbst die zaghaften Sparmaßnahmen per Vorruhestandsregelung sind nun fraglich geworden. Nun soll nachgerechnet werden, sobald die politischen Entscheidungen getroffen sind, sagte Intendant Karl-Heinz Klostermeier.

Da wird einigen Rundfunkratsmitgliedern mulmig, das zeigten ihre besorgten Fragen. Ob „Hinweise über Unfrieden im Haus“ stimmten, wollten sie wissen. Per Post war ihnen die Rede des Personalvertreters und Redakteurs Theo Schlüter zugegangen, der harsche Kritik an Entscheidungen im Haus übte. Große Besorgnis weckte der Vorwurf, im Funkhaus könnten Freie MitarbeiterInnen entscheiden, welche Beiträge gesendet würden – und welche Nachrichten. Da befürchten die einen die Einklagbarkeit von Stellen, andere den Qualitätsverlust des Programms. Eine neue Entwicklung macht das möglich: Demnächst versorgt ein digitaler Nachrichtenpool die Redaktionen. Daraus könnten die Nachrichten beliebig abgefischt werden – und Lady Di oder Mario Baslers Schicksal zur wichtigsten Nachricht avancieren.

Die Senderchefs wiesen alle Kritik zurück: „An sämtlichen Entscheidungen sind die Betroffenen beteiligt“, betonte Programmdirektor Hermann Vinke. Rechtliche Fragen sollen dennoch erneut überprüft werden. Was die Verlagerung von technischen Arbeiten in die Redaktionen betrifft, ergänzte Intendant Karl-Heinz Klostermeier: „Es gibt immer Menschen die wünschen, das wäre nicht so. Aber seit Darwin wissen wir, die sterben aus.“ ede