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Unterm Strich

Im Deutschen Historischen Museum in Berlin ist seit Freitag die Nachbildung eines Krematoriums aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu sehen. Das originalgetreue Gipsmodell im Maßstab 1:15 wurde von dem polnischen Bildhauer Miecyzslaw Stobierski geschaffen und soll auf anschauliche Weise die Vernichtung der europäischen Juden dokumentieren. Die Nachbildung zeichnet auf einer Fläche von 45 Quadratmetern den Weg der Opfer nach – von der berüchtigten Rampe über die Gaskammern bis zu den Verbrennungsöfen. Mit großer Detailgenauigkeit modellierte Stobierski in zweieinhalbjähriger Arbeit allein knapp 3.000 Menschen: Juden beim Gang in den „Umkleideraum“ und bei ihrem Todeskampf in der Gaskammer, aber auch Wachmannschaften. Bislang hat der polnische Künstler, selbst Zeitzeuge des Holocaust, drei derartige Objekte gefertigt. Ein Modell befindet sich in der heutigen Gedenkstätte Auschwitz, ein weiteres ist im Holocaust-Museum Washington zu sehen.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat sich für den Wiederaufbau des Stadtschlosses im Herzen Berlins stark gemacht. Bei einem Festakt zum 300. Jahrestag der Grundsteinlegung des Schlosses Charlottenburg forderte er am Freitag dazu auf, die Chance nicht erneut zu vertun, nachdem in der DDR der Platz bewußt verbaut worden sei. Beide Schlösser gehörten zusammen. „Sie sind ein Stück Identität in der Region.“ Diepgen plädierte für einen Wiederaufbau in äußerlich historischer Form und Fassade, aber mit modernem Innenleben. In einer lebendigen Mischung von öffentlichem Konferenz- und Kulturzentrum und staatlicher Repräsentanz, nicht zuletzt für die deutschen Länder, lägen die Chancen für den vielleicht wichtigsten städtischen Platz. Zusammen mit dem Berliner Stadtschloß sollte auch das Potsdamer Stadtschloß wiedererstehen. Außerdem sprach Diepgen sich dafür aus, den im Vorjahr abgerissenen Getränke-Hoffmann an der Waldemar-/ Ecke Naunynstraße in Kreuzberg mit „größtmöglicher historischer Akkuratesse“ wiederaufzubauen. Der Getränke-Hoffmann sei ein Stück Identität in der Region, und es komme, so Diepgen, „im Endeffekt“ einem „Rückfall in die menschenverachtende Abräumungspolitik einer vergangenen Epoche“ gleich, wenn Baudenkmäler an solchen zentralen, urbanen Punkten dem Profit geopfert würden. Im übrigen sei es denkbar, wie im Falle des Stadtschlosses, die historische Fassade des Getränke-Hoffmann mit der charakteristischen Leuchtreklame zu erhalten, und die Filiale mit einem modernen Innenleben zu versehen. Hintergrund des Diepgenschen Engagements: In der vorletzten Woche war der Getränke-Hoffmann in der Flughafen-/Ecke Karl-Marx-Straße in Neukölln überraschend in die Liste der Denkmäler des Unesco- Weltkulturerbes aufgenommen worden.

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