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■ StreiklichtZählen ist schwierig

Frankreich zündet Atombomben, baut Großraumflugzeuge und schickt Raketen um die Erde. Seine Bürger leben auf du und du mit dem Minitel, benutzen elektronische Türöffner und bezahlen mit Plastikgeld. Das Land ist technologisch spitze. Bloß ganz einfach zählen – das können seine Beamten nicht.

Jedesmal wenn irgendeine Opposition auf die Straße geht, zeigt sich diese Schwäche. Dabei ist das französische Innenministerium personell bestens ausgestattet. Eine Unterabteilung ist dazu abkommandiert, die Regierung über „soziale und kulturelle Phänomene“ sowie das „lokale Leben“ und die „Kommunikation“ im Land zu informieren. Mitarbeiter dieser Abteilung hören sich bei den Nachbarn um, lesen die Post, hören Telefone ab und sind dabei, wenn irgendwo jemand demonstriert.

Am Samstag mußten sie Überstunden machen, weil landesweit an 165 Orten demontriert wurde. Überall zogen Menschen gegen die Sparpolitik der Regierung durch die Straßen. Die Beamten machten für jeden einen Strich. Abends veröffentlichte das Innenministerium die Teilnehmerahl: 586.000 – die Gewerkschaften hatten viermal mehr gezählt.

Ein Unterschied von 100 Prozent ist in Frankreich normal. Aber dieses Mal war selbst die französischen Polizisten erstaunt. In Marseille zum Beispiel hatten sie nachmittags noch 50.000 bis 60.000 Teilnehmer registriert. Am Abend erfuhren sie aus dem Innenministerium, daß sie es mit nur 25.000 zu tun gehabt hatten.

Aber vielleicht dürfen die Beamten gar nicht richtig zählen. Sondern sollen die Regierung beruhigen. Ihren Premierminister zum Beispiel, der vielleicht keine zwei Millionen Gegendemonstranten wünscht, weil bei einer solchen Zahl eine Regierung zurücktreten müßte, wie er Mitte November gesagt hat. Dorothea Hahn/Paris

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